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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Eindruck, daß sich Saul mehr Informationen über Bordens Leben in Kalifornien versprach. Könnte ihm Aaron diesbezüglich behilflich gewesen sein?«
    Cohen biß sich einen Moment auf die Lippen, bevor er antwortete. »Aaron hat vier Tage Urlaub genommen, bevor er sich mit seinem Onkel getroffen hat«, sagte er. »Einen Teil dieser Zeit hat er in Kalifornien verbracht.«
    »Was hat er dort erfahren?« fragte Gentry.
    »Das wissen wir nicht.«
    »Wie haben Sie von diesem Treffen mit Saul erfahren? Ist Saul zu Ihnen in die Botschaft gekommen?«
    Der große Mann sagte etwas auf hebräisch, das sich wie eine Warnung anhörte. Cohen setzte sich darüber hinweg. »Nein«, sagte er. »Dr. Laski hat sich heute vor einer Woche mit Aaron in der National Gallery getroffen. Aaron und Levi Cole, ein Mitarbeiter in der Kommunikationsabteilung, hielten das Treffen für wichtig. Freunde in der Abteilung haben ausgesagt, daß Aaron und Levi Unterlagen, die sie für besonders wichtig hielten, in dieser Woche in den Tresor der Chiffrierabteilung eingelagert haben.«
    »Was stand darin?« fragte Gentry, der nicht damit rechnete, daß er eine Antwort bekommen würde.
    »Wir wissen es nicht«, sagte Cohen. »Ein paar Stunden nachdem Aarons Familie ermordet wurde, kam Levi in die Botschaft und hat die Akten abgeholt. Seither hat ihn niemand mehr gesehen.« Cohen rieb sich den Nasenrücken. »Und das alles ergibt überhaupt keinen Sinn. Levi ist Junggeselle. Keine Familie hier in den Staaten, keine mehr in Israel. Er ist überzeugter Zionist, ehemaliger Kommandosoldat. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie Druck auf ihn ausgeübt haben könnten. Logischerweise wäre er es gewesen, den sie hätten eliminieren müssen, Aaron Eshkol hätten sie erpressen können. Die Frage ist selbstverständlich, wer sind sie ?«
    Gentry sagte nichts.
    »Nun gut, Sheriff«, sagte Cohen. »Bitte erzählen Sie uns alles, was sonst noch wichtig sein könnte.«
    »Das war alles«, sagte Gentry. »Es sei denn, Sie möchten Saul Laskis Geschichte noch hören.« Wie erzähle ich die, ohne auf die Fähigkeit des alten Standartenführers und die Kräfte der alten Damen einzugehen? dachte Gentry. Sie werden mir nicht glauben, und wenn sie mir nicht glauben, bin ich tot.
    »Wir möchten alles wissen«, sagte Cohen. »Von Anfang an.«
    Die Limousine fuhr am Lincoln Memorial vorbei in Richtung Gezeitenbecken.
     

21. Kapitel
     
    Germantown: Samstag, 27. Dezember 1980
     
    Natalie Preston benützte ihre Nikon mit dem 135-mm- Objektiv, um die bröckelnden Widersprüche der sterbenden Stadt festzuhalten: Sandsteinhäuser, Backsteinreihenhäuser, eine Bank, die entworfen worden war, damit sie zu den Gebäuden aus dem achtzehnten Jahrhundert auf beiden Seiten paßte, Antiquitätenläden voll zerbrochenem Plunder, Brachgrundstücke voll Schutt, schmale Straßen und Gassen voll Abfall. Natalie hatte einen Schwarzweißfilm Plus-X in die Nikon eingelegt und machte sich keine Gedanken wegen der Körnung, sie belichtete lange, so daß jeder Sprung und jeder Riß in den Mauern sichtbar werden müßte. Keine Spur von Melanie Fuller.
    Nachdem sie den Film eingelegt hatte, nahm sie allen Mut zusammen und lud die 32er Llama Automatik. Diese lag nun unten in ihrer Handtasche, unter dem Durcheinander, den Linsenabdeckungen und dem doppelten Boden aus Pappkarton.
    Bei Tage bot die Stadt keinen so furchteinflößenden Ablick. Am vergangenen Abend, als sie nach Einbruch der Dunkelheit gelandet war und sich fehl am Platze und desorientiert gefühlt hatte, ließ sie sich von dem Mann, der im Flugzeug neben ihr saß - Jensen Luhar - nach Germantown fahren. Er sagte, es läge auf dem Weg. Sein grauer Mercedes parkte auf dem Platz für Dauerparker. Zuerst war sie froh, daß sie sein Angebot angenommen hatte; die Fahrt dauerte lang - auf einer belebten Schnellstraße, über eine zweistöckige Brücke ins Zentrum von Philadelphia, auf einer anderen kurvenreichen und hektischen Schnellstraße wieder hinaus, wieder über den Fluß - möglicherweise war es auch ein anderer Fluß - und dann auf die Germantown Avenue, eine breite Kopfsteinpflasterstraße, die an dunklen Slums und verlassenen Geschäften vorbeiführte. Als sie sich dem Zentrum von Germantown näherten, wo das Hotel lag, das er ihr empfohlen hatte, war sie überzeugt, der Vorschlag würde kommen: >Wie wäre es, wenn ich noch einen Augenblick mit raufkomme?< oder: >Ich würde Ihnen gerne zeigen, wo ich wohne - das ist nur ein Stück von

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