Kraft des Bösen
zurück.
Leroy richtete sich halb auf und sah sich bedrohlich um. »Was willst ‘n damit sagen, Mann?«
»Er sagt, daß du dein verdammtes Maul halten sollst, Leroy«, sagte Marvin leise. »Aber echt « Er sah Gentry wieder an. »Okay, Mr. Sheriff, sagen Sie mir ... der Mann, der sich versteckt, ein Weißer?«
»Woll.«
»Die Typen, die hinter ihm her sind, Weiße?«
»Woll.«
»Andere Typen könnten mit drinstecken. Weiße?«
»Hm-hmm.«
»Und alle sind so scheißgemein wie die Voodoo-Lady und ihr käsegesichtiges Monster?«
»Ja.«
Marvin seufzte. »Das paßt.« Er griff in die weite Tasche seiner Jacke, holte Gentrys Ruger heraus und legte sie mit einem vernehmlichen Rumms auf den Tisch. »Verdammt großes Schießeisen haben Sie da, Sheriff. Schon mal dran gedacht, Patronen rein zu tun?«
Gentry griff nicht nach der Waffe. »Ich habe Ersatzmunition im Koffer.«
»Wo ist Ihr Koffer, Mann? Wenn er in dem plattgewalzten
Pinto war, ist er futsch .«
»Marvin wollte meine Tasche in der Gasse holen«, sagte Natalie. »Sie war fort. Wie das Wrack deines Mietwagens. Wie der Bus.«
»Der Bus?« Gentrys Brauen schnellten so sehr hoch, daß er zusammenzuckte und sich den Kopf hielt. »Der Bus war fort? Wann nach unserer Ankunft bist du hingegangen?«
»Sechs Stunden«, sagte Leroy.
»Wir müssen dem Baby hier glauben, daß Sie von dem großen, bösen städtischen Bus verfolgt worden sind«, sagte Marvin. »Sie sagt, Sie haben auf ihn schießen und ihn töten müssen. Vielleicht hat er sich zum Sterben ins Gebüsch verkrochen, Mr. Sheriff.«
»Sechs Stunden«, sagte Gentry. Er lehnte sich an den Kühlschrank, um sich zu stützen. »Nachrichten? Es muß doch heute in sämtlichen nationalen Sendern darüber berichtet worden sein.«
»Keine Nachrichten«, sagte Natalie. »Keine Fernsehberichte. Nicht einmal eine Spalte im Philadelphia Inquirer .«
»Jesus Christus«, sagte Gentry. »Sie müssen unglaubliche Verbindungen haben, wenn sie das so schnell aufräumen und vertuschen konnten. Es müssen . mindestens vier Menschen getötet worden sein.«
»Ja, Mann, und SEPTA wird sauer sein«, sagte Calvin, der die Verkehrsbehörde meinte. »Ich würde vorschlagen, Sie benützen keine öffentlichen Verkehrsmittel, solange Sie hier sind. SEPTA wird echt sauer, wenn man ihre Busse abmurkst.« Calvin lachte so sehr, daß er beinahe vom Stuhl gefallen wäre.
»Also wo ist Ihr Koffer, Mann?«
Gentry riß sich aus seinem Nachdenken. »Ich habe ihn im Chelten Arms gelassen. Zimmer 310. Aber ich habe nur für eine Nacht bezahlt. Inzwischen haben sie ihn bestimmt wegräumen lassen.«
Marvin drehte sich auf dem Stuhl herum. »Taylor, du arbeitest doch im ollen Chicken Arms. Kommst du in ihren Lagerraum rein, Mann?«
»Klar, Mann.« Taylor war ein siebzehn- oder achtzehnjähriger Junge mit dunklen Aknenarben im hageren Gesicht.
»Könnte gefährlich sein«, sagte Gentry. »Er ist wahrscheinlich gar nicht mehr da, und wenn, wird er bestimmt überwacht.«
»Von den Voodoo-Schweinen?« fragte Marvin.
»Unter anderem.«
»Taylor«, sagte Marvin. Es war ein Befehl. Der Junge grinste, sprang vom Tresen und verschwand.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte Marvin. »Die Weißen können sich verziehen.«
Natalie und Gentry standen auf der kleinen hinteren Veranda des Community House und sahen zu, wie das letzte graue Winterlicht der Nacht wich. Die Aussicht bestand aus einem langen Brachgrundstück mit Bergen schneebedeckter Backsteintrümmer und den Rückfassaden zweier abbruchreifer Mietshäuser. Der Schein von Petroleumlampen hinter mehreren rußigen Fensterscheiben verriet, daß die abbruchreifen Gebäude immer noch bewohnt waren. Es war sehr kalt. Gelegentlich konnte man Schneegestöber um die einzige unbeschädigte Straßenlampe einen halben Block entfernt sehen.
»Also bleiben wir hier?« fragte Natalie.
Gentry sah sie an. Nur sein Kopf war über der Armeedecke zu sehen, die er sich in Ermangelung einer Jacke über die Schultern geworfen hatte. »Für heute nacht wäre es das Logischste«, sagte er. »Wir sind vielleicht nicht unter Freunden, haben aber immerhin einen gemeinsamen Feind.«
»Marvin Gayle ist klug«, sagte Natalie.
»Wie der Teufel«, stimmte Gentry zu.
»Was meinst du, weshalb vergeudet er sein Leben mit einer Bande?«
Gentry sah blinzelnd in die schmutziggraue Dämmerung. »Als ich in Chicago zur Schule ging, mußte ich dort eine Arbeit über Jugendbanden machen. Ein paar ihrer Anführer
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