Kraft des Bösen
Natalie fragte sich, ob Frauen bei einem Kriegsrat den Mund zu halten hatten. Sie räusperte sich und sagte noch einmal: »Hat dir mein Foto geholfen?«
»Ja, so war’s«, flüsterte Louis heiser. »Aber das weiße Monster war auch bei ihr.«
»Bist du sicher, daß er es war?« schnappte Leroy.
»Klar bin ich sicher«, sagte Louis. »Und George hat ihn schon mal gesehen, weißt du noch. Magerer Kerl. Langes, fettiges Haar. Unheimliche Augen. Wieviel so Typen laufen rum mit ‘ner alten Dame und sind nich die Voodoo-Lady und der blasse Wichser?«
Die fünfundzwanzig Leute im Raum stießen lautes Gelächter aus. Natalie fand, es hörte sich wie das Lachen aufgestauter Angst an.
»Weiter«, sagte Marvin.
»Wir sind ihnen gefolgt, Mann. Sind zu einem alten Haus gegangen. Wir sind ihnen gefolgt, Mann. Setch sagt, soll dich holen, aber ich sag’, wolln mal abwarten, was abgeht, George klettert anner Seite auf n Baum und sieht die Voodoo-Lady schlafen. Ich sag’, machen wir’s. Setch sagt okay, er bricht das Schloß auf, wir gehn rein.«
»Wo ist das Haus?« sagte Marvin.
»Ich zeig’s dir, Mann.«
»Sag es mir«, schnappte Marvin und packte Louis am Kragen.
Der schwerere Junge wimmerte und hielt sich den Hals. »Is auf der Queen Lane, Mann. Nich weit von der Avenue. Ich zeig’s dir, Mann. Setch und George warten.«
»Komm zum Ende«, sagte Marvin leise.
»Wir gehn leise rein«, sagte Louis. »Is erst vier Uhr, klar? Aber die Voodoo-Lady, die schläft oben in ‘nem Zimmer voller Puppen ...«
»Puppen?«
»Ja, wie ‘n Kinderzimmer, klar? Nur schläft sie nich richtig, mehr als wenn se ‘ne Menge Dope geraucht hätte, klar?«
»In Trance«, sagte Natalie.
Louis sah sie an. »Ja. So etwa.«
»Was dann?« sagte Gentry.
Louis grinste alle an. »Dann schneid’ ich ihr’n Hals durch, Mann.«
»Sie tot?« fragte Leroy.
Louis’ Grinsen wurde breiter. »O ja. Sie tot.«
»Was ist mit dem weißen Monster?« fragte Marvin.
»Setch, George und ich, wir finden ihn in der Küche. Hat seine große Klinge scharf gemacht.«
»Die Sense?« fragte Natalie.
»Ja«, sagte Louis. »Und er hat ‘n Messer gehabt, klar? Damit hat er mich geschnitten, als wir’s ihm abgenommen haben. Dann haben Setch und George ihn geschnitten. Haben ihn gut erwischt. Haben ihm die Scheißkehle durchgeschnitten, Mann.«
»Tot?«
»Ja.«
»Sicher?«
»Scheiße, klar sind wir sicher. Glaubste, wir wissen nich, wenn jemand tot is, Mann?«
Marvin sah Louis stechend an. Ein seltsames Funkeln glomm in den erstaunlich blauen Augen des Bandenführers. »Der weiße Wichser hat fünf gute Brüder getötet, Louis. Muhammed war einssechsundachtzig, gemeiner Typ. Wie könnt du un Setch un der kleine George den Wichser so einfach alle machen?«
Louis zuckte die Achseln. »Weiß nich, Mann. Als die Voodoo-Lady tot war, war der Weiße kein Monster mehr. Nur ‘n magerer weißer Bengel. Hat geweint als Setch ihm den Hals aufgeschlitzt hat.«
Marvin schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Mann. Klingt zu einfach. Was ist mit den Bullen?«
Louis sah ihn an. »He, Mann«, sagte er schließlich, »Setch sagt, wir solln dich gleich hinbringen. Willst du sie sehn oder nich?«
»Ja«, sagte Marvin. »Ja.«
»Du gehst da nicht hin«, sagte Gentry.
»Was soll das heißen, ich gehe nicht hin?« sagte Natalie. »Marvin will Fotos haben.«
»Mir ist scheißegal, was Marvin will«, sagte Gentry. »Du bleibst hier.«
Sie befanden sich im ersten Stock, hinter einem Vorhang im Alkoven. Alle Bandenmitglieder waren unten. Gentry hatte seinen Koffer nach oben getragen und zog Cordhosen und einen Pullover an. Natalie sah, daß Blut durch den Verband um die Rippen gedrungen war. »Du bist verletzt«, sagte sie. »Du solltest auch nicht gehen.«
»Ich muß sehen, ob diese Fuller tot ist.«
»Ich will es auch sehen .«
»Nein«, sagte Gentry, zog eine Weste über den Pullover und drehte sich zu ihr um. »Natalie ...« Er hob eine seiner Pranken und strich ihr zärtlich über die Wange. »Bitte. Du ... bist mir sehr wichtig.«
Natalie drückte sich zärtlich an ihn, achtete aber sorgfältig darauf, daß sie seine Seite nicht berührte. Sie hob das Gesicht und küßte ihn. Danach kuschelte sie das Gesicht an die Wollweste und flüsterte: »Du bist mir auch sehr wichtig, Rob.«
»Schon gut. Ich komm’ zurück, sobald wir festgestellt haben, was gelaufen ist.«
»Aber die Bilder .«
»Ich benütze deine Nikon. Okay?«
»Einverstanden, aber es kommt
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