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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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um, »Lebwohl, Nina. Wir werden uns wiedersehen.«
    Melanie Fuller sah sich ein letztes Mal in der Diele und dem Haus um, riegelte die zersplitterte Haustür auf, trat auf eine von Flammen erhellte Straße hinaus, und weg war sie.

Natalie ließ die Pistole fallen und schluchzte. Sie kroch zu Rob, zog ihn an den Schultern, bis sie ihn unter Vincents Leichnam hervorgeholt hatte, und legte seinen Kopf auf ihren rechten Schenkel. Blut tränkte ihr Hosenbein, die Bodendielen, alles. Sie versuchte, ihm mit den Fetzen ihrer zerrissenen Bluse
    Mantel und Hemd abzuwischen, gab aber auf.
    Als Saul Laski und Jackson fünf Minuten später eintraten, begleitet von Flammen, Sirenen und neuerlichen Schüssen draußen, fanden sie sie immer noch mit Robs Kopf im Schoß, dem sie leise etwas vorsang und mit sanften Fingern über die Stirn strich.
     

34. Kapitel
     
    Melanie
     
    Es mißfiel mir, Grumblethorpe zu verlassen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich keine andere Wahl. Die Gegend war schlicht und einfach zu unruhig geworden; die Farbigen hatten die Neujahrsnacht dazu auserkoren, wieder einen ihrer sinnlosen Aufstände anzuzetteln, von denen ich so oft gelesen hatte. Vor den sogenannten Bürgerrechtsbewegungen der letzten zwanzig oder dreißig Jahre ist so etwas nie vorgekommen. Vater hat immer gesagt, wenn man einem Neger den kleinen Finger gibt, wird er die Hand verlangen und sich den ganzen Arm nehmen.
    Ninas Botin - ein farbiges Mädchen, das attraktiv gewesen wäre, abgesehen von dem Kraushaarkopf, mit dem sie wie eine Negergöre aussah - hätte mich fast davon überzeugt, daß Nina sie nicht geschickt hatte, bis ich ihre List durchschaute. Die Stimmen sagten es mir. An diesem Tag und der letzten Nacht in Grumblethorpe waren sie sehr laut. Ich muß gestehen, ich hatte Schwierigkeiten, mich auf unbedeutendere Dinge zu konzentrieren, während ich versuchte zu verstehen, was mir die Stimmen - ohne jeden Zweifel die eines Jungen und eines Mädchens mit gestochenem, fast britischem Akzent - sagen wollten.
    Einiges ergab überhaupt keinen Sinn. Sie warnten mich vor dem Feuer, der Brücke, dem Fluß und dem Schachbrett. Ich fragte mich, ob es sich dabei tatsächlich um Erlebnisse aus ihrem eigenen Leben handeln konnte - möglicherweise die letzten Katastrophen, die sie ihr junges Leben gekostet hatten. Aber die Warnungen vor Nina waren überdeutlich.
    Letztendlich waren Ninas zwei Boten - die sie den ganzen Weg von Charleston hierhergeschickt hatte - wenig mehr als lästige Übel. Es tat mir leid, daß ich Vincent verlor, aber um die Wahrheit zu sagen, er hatte seinen Zweck erfüllt. Ich kann mich nicht mehr deutlich an die letzten Augenblicke in Grumblethorpe erinnern. Ich weiß nur noch, daß ich schreckliche Schmerzen in der rechten Kopfhälfte hatte. Als ich Anne packen ließ, bevor sie mich abholte, ließ ich sie eine Flasche Dristan mitbringen. Es war kaum verwunderlich, daß meine Stirnhöhlen in diesem kalten, feuchten, unfreundlichen nördlichen Klima Probleme machten.
    Anne rutschte über den Vordersitz und hielt mir die Tür auf, als ich Grumblethorpe verließ. Das Haus auf der anderen Straßenseite brannte, zweifellos das Werk der randalierenden Neger. Wenn Mrs. Hodges vorbeischaute und über die jüngsten Ausschreitungen im Norden tratschte, verabsäumte sie selten, darauf hinzuweisen, daß diese angeblich armen, unterernährten und diskriminierten Minderheiten unweigerlich bei erster sich bietender Gelegenheit teure Fernseher und schicke Kleidungsstücke stahlen. Sie war der Meinung, daß die Farbigen die Weißen heimlich bestohlen hatten, als sie noch Diener waren, und jetzt, wo sie Wohlfahrtsempfänger waren, machten sie es immer noch. Das war eine der wenigen Meinungen, die ich mit der naseweisen alten Frau teilte.
    Drei Koffer lagen hinten in Annes DeSoto. In dem größten befanden sich meine Kleidungsstücke, der andere enthielt das Bargeld und die verbliebenen Wertpapiere, die Anne zusammengetragen hatte, im kleinsten befanden sich ein paar Kleidungsstücke und persönliche Habseligkeiten von Anne. Meine Strohtasche war ebenfalls da. Auf dem Boden vor dem Rücksitz lag die zwölfkalibrige Schrotflinte, die Anne in ihrem Haus aufbewahrt hatte.
    »Lassen sie uns gehen, meine Teuerste«, sagte ich und lehnte mich auf dem Autositz zurück.
    Anne Bishop fuhr wie eine alte Frau. Wir ließen Grumblethorpe und das brennende Gebäude hinter uns und fuhren langsam auf der Germantown Avenue nach Nordwesten. Ich schaute

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