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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schon aussteigen lassen. Sie hielt die Schrotflinte linkisch und stützte sie auf dem Dach des DeSoto ab.
    Ich wußte, sobald ich sie feuern ließ, daß es zu früh, daß der Helikopter noch zu weit entfernt war. Der Knall der Schrotflinte trug seinen Teil zum ohnedies infernalischen Lärm bei, aber ansonsten bewirkte er nichts.
    Der Rückstoß trieb sie zwei Schritte zurück. Die Wucht der superschnellen Patrone riß ihr die Schrotflinte aus der Hand und warf sie um. Ich hatte mich auf den Boden geduckt, als der zweite Schuß die Windschutzscheibe zertrümmerte und pulverisiertes Glas auf den Vordersitz regnen ließ.
    Es gelang Anne, wieder aufzustehen, zum Auto zurückzukriechen und den Zündschlüssel mit der linken Hand herumzudrehen. Ihr rechter Arm hing nutzlos herab, er war an der Schulter fast abgetrennt. Unter zerrissenem Stoff und Wolle war der bloße Knochen zu sehen.
    Wir fuhren direkt unter den Helikopter - die verzweifelte Maus, die zwischen den Beinen der verblüfften Katze hindurchwuselt -, und dann sausten wir einen Schotterweg entlang, entfernten uns vorübergehend vom Fluß und näherten uns auf dem bewaldeten Hang der dunklen Brücke.
    Der Helikopter nahm die Verfolgung auf, aber die überhängenden kahlen Bäume auf beiden Seiten des Schotterwegs schirmten uns ab, solange wir in Bewegung blieben. Wir kamen auf einer bewaldeten Kuppe heraus; rechts von uns befanden sich die Fahrspuren der Schnellstraße Richtung Süden, links die Eisenbahnlinie und der Fluß. Ich sah, daß unser Weg nach links zur entfernteren von zwei dunklen Brücken führte. Wir hatten keine andere Wahl; der Helikopter war wieder hinter uns, die Bäume waren hier nicht dicht genug für eine ausreichende Deckung, und mit dem DeSoto konnten wir unmöglich den steilen und bewaldeten Hang zur Hunderte Meter tiefer gelegenen Schnellstraße fahren.
    Wir wandten uns nach links und beschleunigten auf die dunkle Brücke zu. Und blieben stehen.
    Es war eine Eisenbahnbrücke, eine sehr alte. Niedrige Geländer aus Mauerstein und Eisen begrenzten die beiden Seiten. Rostige Gleise, Holzbalken und ein schmaler Schotterweg erstreckten sich stolze fünfundzwanzig Meter über dem Fluß in die Dunkelheit.
    Zehn Meter entfernt versperrte uns eine dicke Barrikade den Weg. Es hätte uns auch nichts genützt, wenn wir durch diese Barrikade gebrochen wären; der Weg war zu schmal, zu ungedeckt, der Hindernisparcours der Schwellen zu langsam.
    Wir warteten nicht länger als zwanzig Sekunden, aber das war zu lang. Ein Dröhnen erklang, eine Wolke aus Staub und Zweigen wurde um uns herum aufgewirbelt, und ich duckte mich, als eine gewaltige Masse den Himmel verdunkelte. Fünf Löcher erschienen in der Windschutzscheibe, Lenkrad und Armaturenbrett zerbarsten, Anne Bishop wurde durchgeschüttelt, als Kugeln sie in Magen, Brust und Wange trafen.
    Ich riß die Autotür auf und rannte los. Einer meiner Hausschuhe kullerte durch das Gestrüpp die Böschung hinunter. Mein Nachthemd und der Morgenmantel bauschten sich in den Windböen der Hubschrauberrotoren. Der Helikopter rauschte vorbei, die Landekufen eineinhalb Meter über meinem Kopf, und verschwand hinter der Kuppe.
    Ich stolperte auf den Holzschwellen entlang von der Brücke weg. Hinter der Kuppe und dem reflektierten Lichterdunst der Schnellstraße konnte ich die relative Dunkelheit des Fairmount Park sehen. Anne hatte mir gesagt, daß dies der größte städtische Park der Welt sei, mehr als viertausend Morgen Waldgebiet am Fluß entlang. Wenn ich es bis dorthin schaffen würde…
    Der Helikopter stieg über die Baumkronen empor wie eine Spinne, die in ihr Netz krabbelt. Er glitt seitwärts auf mich zu. Vom Seitenfenster konnte ich einen dünnen, roten Strahl erkennen, der sich durch die staubige Luft bohrte.
    Ich drehte mich um und stolperte zur Brücke und dem geparkten DeSoto zurück. Genau das wollten sie von mir.
    Ein steiler Trampelpfad führte durch das Unterholz die Böschung hinunter. Ich ging hinunter, rutschte aus, verlor den anderen Hausschuh und setzte mich plumpsend auf den kalten, feuchten Boden. Der Helikopter rumorte oben, schwebte fünfzehn Meter über dem Fluß und suchte mit dem Scheinwerfer das Ufer ab. Ich stolperte den Trampelpfad entlang, rutschte sechs Meter den steilen Hang hinunter und spürte, wie Büsche und Zweige mir die Haut aufrissen. Der Suchscheinwerfer spürte mich wieder auf. Ich stand auf, schirmte die Augen ab und sah blinzelnd ins grelle Gleißen. Wenn ich den

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