Kraft des Bösen
ebensowenig seine dünne, blonde Frau, aber ich sah mit den Augen der Empfangsschwester in der Aufnahme und erblickte die Kinder und wußte sofort, wer sie waren: die Kinder aus dem Park.
Der rothaarige Mann schaute betroffen drein, als er mich ansah. Ich lag auf der Intensivstation, einem Netz von Kabinen, die wie Kuchenstückchen geformt waren und vom Mittelpunkt der Schwesternstation ausgingen. In diesem Netz war ich in ein noch engeres Netz von IV-Schläuchen und Sensorkabeln eingesponnen. Der Arzt führte den Mann von der durchsichtigen Trennwand weg, die Einblick in meine I.K. bot wie die Schwester sich ausdrückte.
»Sind Sie ein Mitglied der Familie?« fragte der Arzt. Er war ein geschickter, zielstrebiger Mann mit grauem Haar. Sein Name lautete Dr. Hartman, und ich spürte Freude, Angst und Respekt der Schwestern in seiner Gegenwart.
»Äh, nein«, sagte der große Rothaarige. »Mein Name ist Howard Warden. Wir haben sie gefunden ... das heißt meine Kinder haben sie gestern morgen gefunden, als sie in unseren ... äh ... unseren Garten gelaufen kam. Sie ist zusammengebrochen, als ...«
»Ja, ja«, sagte Dr. Hartman, »ich habe den Bericht gelesen, den Sie der Schwester in der Notaufnahme gegeben haben. Sie haben keine Ahnung, wer die Dame ist?«
»Nein, sie hatte nur Nachthemd und Morgenmantel an. Meine Kinder sagen, sie haben gesehen, wie sie aus dem Wald gekommen ist, als sie .«
»Und keine Ahnung, woher sie gekommen ist?«
»Nn-nnn«, sagte Warden. »Ich war ... nun, ich habe nicht die Polizei verständigt. Ich denke, das hätte ich tun sollen. Nancy und ich haben mehrere Stunden hier gewartet, und als klar war, daß sie ... die alte Dame ... daß sie nicht ... ich meine, daß ihr Zustand sich stabilisiert hatte ... sind wir nach Hause gegangen. Es war mein freier Tag. Ich wollte die Polizei heute morgen anrufen, habe mir aber gedacht, wir erkundigen uns erst, wie es ihr geht .«
»Wir haben die Polizei bereits informiert«, log Dr. Hartman. Es war das erste Mal, daß ich ihn >benützt< hatte. Es war so einfach, als würde man einen alten und abgetragenen Mantel anlegen. »Sie waren hier und haben einen Bericht gemacht. Sie hatten keine Ahnung, woher Mrs. Normalverbraucher gekommen ist. Niemand hat gemeldet, daß eine Verwandte vermißt wird.«
»Mrs. Normalverbraucher?« sagte Howard Warden. »Oh, ich verstehe, Ottilie Normalverbraucher. Gut. Nun, für uns ist das auch ein Rätsel, Doktor. Wir wohnen etwa zwei Meilen im Park, und soviel die Kinder gesagt haben, kam sie nicht einmal die Einfahrt entlang.« Er sah zur Intensivstation zurück. »Wie geht es ihr, Doktor? Sie sieht ... nun ... schrecklich aus.«
»Die Dame hat einen schweren Schlag erlitten«, sagte Dr. Hartman. »Möglicherweise mehrere.« Als er Howards verständnislosen Blick sah, fuhr der Doktor fort: »Sie hatte einen, wie wir sagen, CVU, einen cerebrovasculären Anfall oder cerebralen Blutsturz, wie man früher sagte. Die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn war vorübergehend unterbrochen. Soweit wir das beurteilen können, scheint sich der Vorfall in der rechten Gehirnhälfte der Patientin abgespielt zu haben, was zu einer Unterbrechung der cerebralen und neurologischen Funktionen geführt hat. Die meisten Folgen davon kann man an ihrer linken Seite erkennen - hängendes Lid, Lähmung der Gliedmaßen -, aber in gewisser Weise könnte das ein gutes Zeichen sein, da man Aphasie - Sprachprobleme - im allgemeinen mit Vorfällen in der linken Hemisphäre assoziiert. Wir haben ein EEG und einen CAT-Scan durchgeführt, und um ganz ehrlich zu sein, die Ergebnisse sind ein wenig verwirrend. Der CAT-Scan hat eine Infarktbildung und mögliche Verstopfung der Hirnmittelarterie ergeben, aber die EEG-Werte sind ganz und gar nicht, wie man nach einem Vorfall dieser Art vermuten sollte .«
Ich verlor das Interesse an diesem medizinischen Kauderwelsch und konzentrierte meine primäre Wahrnehmung auf die Empfangsschwester in mittleren Jahren in der Aufnahme. Ich ließ sie aufstehen und zu den drei Kindern gehen. »Hallo«, ließ ich sie zu ihnen sagen, »ich wette, ich weiß, wen ihr hier besuchen wollt.«
»Wir können niemand besuchen«, sagte die Älteste, das Mädchen, das bei Sonnenaufgang Hey Jude gesungen hatte. »Wir sind zu klein.«
»Aber ich wette, ich weiß, wen ihr gerne besuchen würdet «, sagte die Empfangsschwester lächelnd.
»Ich will die nette Dame sehen«, sagte der kleine Junge. Er hatte Tränen in den Augen.
»Ich
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