Kraft des Bösen
nicht«, sagte das älteste Mädchen nachdrücklich.
»Ich auch nicht«, sagte ihre sechsjährige Schwester.
»Warum nicht?« fragte ich. Ich war gekränkt.
»Weil sie unheimlich ist«, sagte das älteste Mädchen. »Ich hab’ auch gedacht daß ich sie mag, aber als ich gestern ihre Hand berührt habe, war es ganz komisch.«
»Was meinst du damit, komisch?« fragte ich. Die Empfangsschwester trug eine Brille mit dicken Gläsern, und ich stellte fest, daß die das Blickfeld verzerrten. Außer zum Lesen hatte ich nie eine Brille gebraucht.
»Komisch«, sagte das Mädchen. »Unheimlich. Wie Schlangenhaut oder so. Ich hab’ ganz schnell losgelassen, noch bevor ihr schlecht geworden ist, aber ich hab’ trotzdem gewußt, daß sie wirklich böse ist.«
»Ja«, sagte ihre Schwester.
»Sei still, Allie«, sagte das älteste Mädchen, der es offenbar schon leid tat, daß sie mit mir gesprochen hatte.
»Ich mochte die alte Dame«, sagte der fünfjährige Junge. Es sah aus, als hätte er geweint, bevor er ins Krankenhaus gekommen war.
Ich lockte die beiden Mädchen weg von dem Jungen zum Empfangstresen. »Kommt her, Mädchen. Ich habe etwas für euch.« Ich kramte in der Schublade und fand zwei Kugeln Pfefferminzkaugummi. Als das älteste Mädchen nach einer griff, packte ich sie fest am Handgelenk. »Zuerst möchte ich dir die Zukunft vorhersagen«, ließ ich die Empfangsschwester flüstern.
»Loslassen«, flüsterte das Mädchen zurück.
»Sei still«, zischte ich. »Dein Name ist Tara Warden. Deine Schwester heißt Allison. Ihr beiden lebt in einem großen Haus aus Stein auf dem Hügel, in einem Park, das ihr Schloß nennt. Irgendwann, eines Nachts, wird ein großes grünes Schreckgespenst mit spitzen gelben Zähnen in dein Zimmer kommen, wenn es dunkel ist, und es wird dich in klitzekleine Stücke zerfetzen - euch beide - und die Stücke anschließend auffressen. «
Die Mädchen stolperten rückwärts, ihre Gesichter waren leichenblaß, die Augen groß wie Untersetzer. Sie sperrten vor Angst und Schrecken die Münder auf.
»Und wenn ihr es jemandem sagt ... eurem Vater, eurer Mutter, irgendjemand «, ließ ich die Empfangsschwester sagen, »dann kommt das Schreckgespenst noch heute nacht zu euch!«
Die Mädchen stolperten zu ihren Stühlen zurück und sahen die Frau an, als wäre sie eine Schlange. Eine Minute später kam ein älteres Paar und wollte den Weg zu einem Zimmer wissen, und da ließ ich die Schwester wieder die nette, schlichte, etwas herablassende Persönlichkeit sein.
Oben hatte Dr. Hartman Howard Warden meinen medizinischen Zustand erklärt. Ein Stück weiter unten im Gang überprüfte Oberschwester Oldsmith die Medikamente für die Patienten, wobei sie ganz besondere Sorgfalt auf die Medizin verwendete, die Mrs. Normalverbraucher bekam. In meinem Zimmer wusch mich die junge Schwester namens Sewell sanft mit kalten Kompressen und massierte meine Haut fast ehrfürchtig. Die Empfindungen dabei waren bestenfalls distanziert, aber ich fühlte mich doch besser, nachdem ich mich vergewissert hatte, daß mir jedwede Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Es war schön, wieder im Kreise einer Familie zu sein.
Am dritten Tag, in der dritten Nacht besser gesagt, ruhte ich mich aus - ich schlief nicht mehr richtig, sondern ließ lediglich mein Bewußtsein treiben und auf eine wahllose, traumgleiche Weise von Rezipient zu Rezipient schweben - als ich plötzlich eine körperliche Erregung verspürte, wie ich sie seit Jahren nicht mehr erlebt hatte, die Gegenwart eines Mannes, Lenden, die gegen mich drückten. Ich spürte mein Herz schlagen, als ich die vollen, jugendlichen Brüste mit den aufgerichteten Brustwarzen an ihn drückte. Seine Zunge war in meinem Mund. Ich spürte, wie seine Finger die Knöpfe meiner Schwesterntracht öffneten, während ich selbst mit den Hinden seine Gürtelschnalle löste, den Reißverschluß aufzog und sein erigiertes Glied in die Hand nahm.
Es war ekelhaft. Es war obszön. Es war Schwester Connie Sewell mit einem Internisten in einer Besenkammer.
Da ich sowieso nicht schlafen konnte, ließ ich mein Bewußtsein zu Schwester Sewell zurückkehren. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich nicht angefangen hatte, sondern lediglich teilnahm. Die Nacht ging schnell vorbei.
Ich bin nicht sicher, wann mir der Gedanke kam, nach Hause zurückzukehren. Das Krankenhaus war für die ersten Wochen erforderlich gewesen, den ersten Monat, aber Mitte Februar kreiste mein Denken immer mehr um
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