Kraft des Bösen
wollen Marvin nur einen Job anbieten.«
»Einen Job?« Die Frau sah argwöhnisch zu Culley und dann wieder zu Howard. »Was denn für einen Job ?«
»Schon gut, Ma.« Marvin Gayle, der nur ein Paar zu große Shorts und ein T-Shirt trug, stand unter der Tür zum Flur. Sein Gesicht war schlaff, die Augen umwölkt, als wäre er gerade erwacht.
»Marvin, du mußt nicht mit diesen Leuten reden, wenn .«
»Schon gut, Ma.« Er sah sie mit diesem toten Gesicht an, bis sie den Kopf senkte, dann drehte er sich zu Howard um. »Was wolln Sie, Mann?«
»Können wir draußen reden?« fragte Howard.
Marvin zuckte die Achseln und folgte uns trotz Kälte und eisigem Wind nach draußen. Die Tür fiel hinter der schimpfenden Mutter ins Schloß. Er sah an Culley hinauf, dann ging er näher zu Howard. Ein Funken Lebhaftigkeit blitzte in seinen Augen auf, als wüßte er, was ihm bevorstand, und sähe ihm entgegen.
»Wir bieten Ihnen ein neues Leben«, flüsterte Howard. »Ein völlig neues Leben .«
Da wollte Marvin Gayle etwas sagen, aber ich stieß aus zehn Meilen Entfernung zu, der Mund des farbigen Jugendlichen sank schlaff herunter, und er sprach nicht einmal das erste Wort zu Ende. Technisch gesehen hatte ich diesen Jungen schon einmal >benützt<, in den wenigen chaotischen Minuten, bevor ich Grumblethorpe Lebewohl gesagt hatte, was das Unterfangen ein kleines bißchen vereinfacht haben konnte. Aber das spielte eigentlich keine Rolle. Ich hätte vor meiner Krankheit niemals bewerkstelligen können, was mir an diesem Abend gelang. Ich arbeitete durch den Filter von Howard Wardens Wahrnehmungen, während ich gleichzeitig Culley, meinen Doktor und das halbe Dutzend weitere konditionierte Handlanger an verschiedenen Orten kontrollierte, und konnte meine Willenskraft dennoch so nachdrücklich projizieren, daß der schwarze Junge stöhnte, rückwärts taumelte, mit leerem Blick vor sich hinstarrte und auf meinen ersten Befehl wartete. Seine Augen sahen nicht mehr drogenumwölkt und niedergeschlagen aus; jetzt hatten sie den strahlenden, durchsichtigen Blick eines unheilbar Hirngeschädigten.
Was auch immer die traurige Summe von Marvin Gayles Leben, Gedanken, Erinnerungen und erbärmlichen Ambitionen gewesen sein mochte, war für immer dahin. Vorher hatte ich eine derartig totale Konditionierung noch nie mit einem einzigen Schlag fertiggebracht, und mein fast vergessener Körper zuckte eine lange Minute auf dem Krankenhausbett im Klammergriff völliger Lähmung, während Schwester Sewell mich massierte.
Die leere Hülle, die einmal Marvin Gayle gewesen war, wartete stumm im eisigen Wind und der Dunkelheit.
Schließlich sprach ich durch Culley, wobei ich gar nicht auf die verbale Äußerung angewiesen gewesen wäre, aber ich wollte sie durch Howards Bewußtsein hören. »Geh dich anziehen«, sagte er, »gib deiner Mutter das hier. Sag ihr, es ist ein Vorschuß auf deinen Lohn.« Culley gab dem Neger einen Hundertdollarschein.
Marvin verschwand im Haus und kam drei Minuten später zurück. Er trug nur Jeans, einen Pullover, Turnschuhe und eine schwarze Lederjacke. Er brachte kein Gepäck mit. Das entsprach meinen Wünschen; ich hatte vor, ihn mit der angemessenen Garderobe zu versehen, wenn wir umzogen.
Ich kann mich nicht erinnern, daß wir in all den Jahren, während ich aufwuchs, einmal keine schwarzen Diener gehabt hätten. Es schien nur recht und billig, daß dies bei meiner Rückkehr nach Charleston wieder so sein sollte.
Ich konnte Philadelphia nicht verlassen, ohne ein Souvenir mit nach Hause zu nehmen.
Der Konvoi aus Lastwagen, zwei Limousinen und dem Mietwagen mit meinem Bett und den medizinischen Geräten bewerkstelligte die Reise in drei Tagen. Howard war mit dem Volvo der Familie, den Justin das >Blaue Ei< nannte, vorausgefahren, um die letzten Vorkehrungen zu treffen, das Haus zu lüften und meine Heimkehr vorzubereiten.
Wir trafen lange nach Einbruch der Dunkelheit ein. Culley trug mich nach oben, während Dr. Hartman aufpaßte und Schwester Oldsmith mit der IV-Flasche neben mir herlief.
Mein Schlafzimmer erstrahlte im Schein der Lampe, die Steppdecke war zurückgeschlagen, die Laken frisch und sauber, das dunkle Holz von Bett, Kommode und Schrank roch nach Zitruspolitur, und meine Haarbürsten lagen in der genau richtigen Reihenfolge auf dem Frisiertisch.
Wir weinten alle. Tränen liefen Culleys Wangen herunter, während er mich behutsam, fast ehrerbietig auf das große Bett legte. Durch die leicht
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