Kraft des Bösen
sich dem dünnen Hals der Negerin genähert hatte, erstarrte mitten in der Bewegung. Ich empfand in dem Moment keinerlei Angst, lediglich gelinde Neugier angesichts dieser neuen Manifestation von Ninas Wahnsinn.
»Das ist Sprengstoff«, keuchte das Mädchen. Ihre Hand griff nach einem Knopf an dem Transistorradio. »Wenn du mich berührst, bringe ich ihn zur Explosion. Wenn du in meinen Kopf eindringst, wird dieser Monitor hier ihn automatisch zur Explosion bringen. Die Explosion wird dieses stinkende Mausoleum von einem Haus dem Erdboden gleichmachen.«
»Nina, Nina«, ließ ich Justin sagen, »du bist übermüdet. Setz dich einen Augenblick. Ich lasse uns von Mr. Thorne Tee bringen.«
Das war ein vollkommen verzeihlicher Fehler, aber das Negermädchen fletschte die Zähen zu etwas, das einem Lächeln nicht einmal nahe kam. »Mr. Thorne ist nicht da, Melanie. Dein Gehirn wird zu Brei. Mr. Thorne - oder wie sein richtiger Name auch immer gewesen sein mag - hat meinen Vater getötet, und dann hat einer deiner stinkenden Freunde ihn umgebracht. Aber immer hast du dahintergesteckt, du alte Vettel. Du warst die Spinne in der Mitte eines jeden ... versuch es nicht einmal!«
Culley hatte sich kaum bewegt. Ich ließ ihn langsam die Hände sinken und zurücktreten. Ich überlegte, ob ich das willkürliche Nervensystem des Mädchens übernehmen sollte. Es würde nur Sekunden dauern - gerade lange genug, daß einer meiner Leute zu ihr gelangen konnte, bevor sie diesen kleinen roten Knopf drückte. Nicht, daß ich auch nur einen Augenblick geglaubt hätte, es könnte etwas an ihren albernen Drohungen dran sein. »Was hast du gesagt, um was für einen Sprengstoff handelt es sich, Teuerste?« fragte ich durch Justin.
»Er heißt C-4«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme klang gelassen und ruhig, aber ich konnte das hektische Auf und Ab ihres Atems hören. »Eine militärische Waffe ... Plastiksprengstoff ... und ich habe zwölf Pfund hier, mehr als genug, dich und dieses Haus zum Teufel zu pusten und das halbe Haus der Hodges wahrscheinlich noch dazu.«
Das hörte sich nicht nach Nina an. Oben entfernte Dr. Hartman linkisch eine IV-Nadel aus meinem Arm und wollte mich auf die rechte Seite drehen. Ich stieß ihn mit meinem gesunden Arm weg. »Wie könntest du diesen Sprengstoff zur Explosion bringen, wenn ich dir deine kleine Zimperliese wegnehmen würde?« ließ ich Justin fragen. Howard nahm die schwere 45er Pistole von meinem Nachtisch, zog die Schuhe aus und schlich lautlos die Treppe hinunter. Über Miß Sewell hatte ich immer noch schwachen Kontakt mit einem Wachmann, als sie die bewußtlose Gestalt von Jensen Luhar wieder in den Tunnel trugen, während die anderen den verfolgten, den die Negerin Saul genannt hatte. Selbst Miß Sewell in ihrer Surrogatzelle konnte Sirenen heulen hören. Der Sturm näherte sich der Insel; ein Deckoffizier meldete zwei Meter hohe Wellen, Tendenz steigend.
Das farbige Mädchen kam einen Schritt näher zu Justin. »Siehst du diese Drähte?« fragte sie und beugte sich nach vorn. Dünne Kabel verliefen von ihrer Kopfhaut in den Kragen der Bluse. »Diese Sensoren übermitteln die elektrischen Signale meiner Gehirnwellen zu diesem Monitor. Kannst du das verstehen?«
»Ja«, lispelte Justin. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Gehirnwellen haben bestimmte Muster«, sagte das Mädchen. »Diese Muster sind so charakteristisch wie Fingerabdrücke. Sobald du meinen Verstand mit deinem dreckigen, verfaulten Gehirn berührst, erzeugst du etwas, das man ThetaRhythmus nennt - man findet es bei Ratten, Echsen und niederen Lebensformen wie dir -, und der kleine Computer in diesem Monitor nimmt sie wahr und zündet das C-4. In nicht einmal einer Sekunde, Melanie.«
»Du lügst«, sag t e ich.
»Laß es darauf ankommen«, sagte das Mädchen. Sie kam noch einen Schritt nach vorn und versetzte Justin einen groben Stoß, daß das arme Kind rückwärts taumelte, bis es mit Vaters Lieblingssessel zusammenstieß und sich mit einem Klacken kleiner Absätze hinsetzte. »Laß es darauf ankommen«, wiederholte sie mit wütender Stimme, »laß es nur darauf ankommen, du vertrocknetes altes Weib, dann sehen wir uns in der Hölle wieder.«
»Wer bist du?« fragte ich.
»Niemand«, sagte das Mädchen. »Nur jemand, dessen Vater du ermordet hast. Nicht so wichtig, daß du dich noch daran erinnern würdest.«
»Du bist nicht Nina?« fragte ich. Howard hatte die unterste Treppenstufe erreicht. Er hob die
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