Kraft des Bösen
Pistole und machte sich bereit, sie um die Ecke des Türrahmens zu schwingen und za schießen.
Das Mädchen sah an Culley vorbei zum Foyer. Das grüne Leuchten vom ersten Stock warf vage Schatten, wo Howard stand. »Wenn du mich tötest«, sagte das Mädchen, »wird der Monitor das Ende der Gehirnwellen registrieren und sofort detonieren. Alle in diesem Haus werden sterben.« Ich hörte keine Angst aus ihrer Stimme heraus, nur so etwas wie Erleichterung.
Das Mädchen log selbstverständlich. Besser gesagt, Nina log. Es war unmöglich, daß ein farbiges Gossenmädchen diese ganzen Einzelheiten aus Ninas Leben erfahren haben konnte, über den Tod von Ninas Vater, über die Einzelheiten des >Spiels< in Wien. Aber das Mädchen hatte auch erwähnt, daß ich ihren Vater ermordet hatte, als ich sie in Grumblethorpe zum erstenmal gesehen hatte. Oder nicht? Alles wurde zunehmend verwirrter. Vielleicht hatte der Tod Nina so wahnsinnig gemacht, daß sie jetzt glaubte, ich hätte ihren Vater vor die Bostoner Straßenbahn gestoßen. Vielleicht hatte Ninas Bewußtsein in den letzten Sekunden vor ihrem Tod Zuflucht im minderwertigen Gehirn dieses Mädchens gesucht - konnte sie ein Zimmermädchen im Mansard House gewesen sein? -, und nun waren Ninas Erinnerungen mit den banalen Erinnerungen eines schwarzen Hausmädchens verschmolzen und verflochten. Bei dem Gedanken ließ ich Justin beinahe laut auflachen. Was wäre das für eine Ironie gewesen!
Wie auch immer, ich hatte keine Angst vor ihrem imaginären Sprengstoff. Ich hatte den Ausdruck >Plastiksprengstoff< schon einmal gehört, war aber sicher, daß so etwas keinerlei Ähnlichkeit mit den Knetmasseklumpen haben würde. Außerdem erinnerte ich mich, wie Vater einmal vor dem Krieg auf unserem Landsitz in Georgia einen Biberdamm sprengen mußte; nur er und ein Vorarbeiter durften mit dem tückischen Dynamit auf den See hinausfahren, und mit den Zündern wurden alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Sprengstoff war viel zu gefährlich, ihn einfach an so einem albernen Gürtel herumzutragen. Der Rest der Geschichte des Mädchens - Gehirnwellen und Computer - war ein vollkommen sinnloses Gestammel. Derlei Geschichten gehörten in das Reich der >Sciencefiction<, die Willi in seinen grellbunten deutschen Groschenromanen las. Und selbst wenn etwas Derartiges möglich gewesen wäre - was nicht der Fall war, davon war ich überzeugt -, hätte es sich ganz bestimmt dem Verständnis einer Negerin entzogen. Ich hatte ja schon Schwierigkeiten, das Konzept zu begreifen.
Dennoch hatte es keinen Sinn, Nina zum Äußersten zu reizen. Es bestand immer noch die entfernte Möglichkeit, daß sich echtes Dynamit im Apparat ihrer Handlangerin befand. Ich sah keinen Grund, nicht noch ein paar Minuten auf Nina einzugehen. Die Tatsache, daß sie so verrückt wie der sprichwörtliche
Hutmacher war, machte sie nicht weniger gefährlich. »Was willst du?« fragte ich.
Das Mädchen leckte sich die Lippen und sah sich um. »Nimm deine ganzen Leute hier raus. Außer Justin. Der bleibt auf dem Sessel sitzen.«
»Gewiß«, schnurrte ich. Der schwarze Junge, Schwester Oldsmith und Culley gingen durch verschiedene Türen hinaus. Howard wich zurück, als Culley vorbeiging, ließ die Pistole aber nicht sinken.
»Erzähl mir, was vor sich geht«, schnappte die Negerin. Sie blieb stehen, ohne den Finger von dem roten Knopf an ihrer Apparatur am Gürtel zu nehmen.
»Was meinst du damit, Teuerste?«
»Auf der Insel«, herrschte das Mädchen. »Was ist mit Saul?«
Ich ließ Justin die Achseln zucken. »Daran habe ich das Interesse verloren«, sagte ich.
Die Negerin kam drei Schritte nach vorn, und ich dachte, sie würde das hilflose Kind schlagen. »Hol dich der Teufel «, sagte sie. »Sag mir, was vor sich geht, oder ich zünde das hier auf der Stelle. Es würde sich lohnen, wenn ich nur wüßte, daß du tot bist ... daß du in deinem Bett verbrennst wie eine haarlose alte Rattenkönigin, die man über eine Flamme hält. Entscheide dich, alte Vettel.«
Schimpfwörter waren mir stets zuwider. Mein Ekel angesichts solcher Obszönitäten wurde durch das beschworene Bild nicht gelindert. Meine Mutter hatte unziemliche Angst vor Überschwemmungen und steigendem Wasser. Feuer ist von jeher mein bete noire gewesen. »Dein Jude hat einen Stein nach Willis Mann geworfen und ist in den Dschungel geflohen, bevor das Spiel beginnen konnte«, sagte ich. »Mehrere der anderen sind ihm gefolgt. Zwei Wachen haben
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