Kraft des Bösen
vor Anker.
Saul warf die Tasche über die Schulter und ging vorsichtig zu den Bäumen. Es konnte sein, daß die meisten Sicherheitsleute zum Norden der Insel beordert worden waren, um nach ihm zu suchen, aber Saul konnte nicht glauben, daß Barent den Nordeingang des Herrenhauses unbewacht lassen würde. Er stapfte in der Dunkelheit unter den Bäumen dahin und verkrampfte den ganzen Körper, weil er ständig damit rechnete, von Kugeln durchbohrt zu werden. Es herrschte keinerlei Bewegung, abgesehen von den rauschenden Blättern im abschwächenden Wind vom Meer. Die Lichter des Herrenhauses waren im Süden gerade zu erkennen. Sauls einziges Ziel im Augenblick war, lebend in das Haus einzudringen.
An der Live Oak Lane brannte kein Licht. Saul erinnerte sich, wie Meeks, der Pilot davon gesprochen hatte, daß der Weg für die Würdenträger und VIPs beleuchtet war, aber heute nacht war der Rasenweg dunkel wie der Wald selbst. Es kostete Zeit, von Baum zu Baum und von Strauch zu Strauch zu schleichen. Dreißig Minuten vergingen, er hatte die halbe Strecke zum Herrenhaus zurückgelegt, und immer noch ließen sich Barents Wachen nicht sehen. Saul kam plötzlich ein Gedanke, der ihn mit einem Grausen erfüllte, das kälter und schlimmer als die Angst vor dem Tod war: Wenn Barent und Willi die Insel nun bereits verlassen hatten?
Es wäre möglich. Barent war kein Mann, der sich einer Gefahr aussetzen würde. Saul hatte sich darauf verlassen, daß er die allzu große Zuversicht des Milliardärs als Waffe gegen ihn verwenden konnte - alle, die eine gewisse Zeit mit dem Mann verbracht hatten, einschließlich Saul selbst, waren dergestalt konditioniert worden, daß sie außerstande waren, ihm ein Leid zuzufügen -, aber vielleicht hatten Willis Intervention in Philadelphia oder Sauls ungewöhnliches Entkommen daran etwas geändert. Saul achtete nicht auf die Gefahr, hielt die Waffe schußbereit und lief den grasbewachsenen Weg zwischen den Eichen entlang, wobei ihm die Tasche ständig gegen die verletzte Schulter schlug.
Er war erst zweihundert Meter weit gelaufen und keuchte unter Schmerzen, als er schlitternd stehenblieb, auf ein Knie sank und das Gewehr anlegte. Er blinzelte und wünschte sich, er hätte eine Brille. Ein nackter Leichnam lag mit dem Gesicht nach unten im Schatten einer kleinen Eiche. Saul sah nach links und rechts, stelle die Tasche ab und lief sprintend weiter.
Die Frau war nicht völlig nackt. Ein zerrissenes und blutiges Hemd bedeckte einen Arm und einen Teil des Rückens. Die Frau lag auf dem Rücken, das Gesicht war abgewandt und unter den Haaren verborgen, die Arme ausgestreckt, Finger in den Erdboden gekrallt und das rechte Bein angewinkelt, als wäre sie schnell gelaufen, als ihr Angreifer sie niedergestreckt hatte. Saul, der sich mit angelegter M-16 argwöhnisch umsah, berührte sie am Hals, um nach dem Puls zu fühlen.
Die Frau drehte ruckartig den Kopf, und Saul sah gerade noch Miß Sewells aufgerissene, irre Augen und den offenen Mund, bevor sich ihre Zähne schmerzhaft in seine linke Hand gruben. Sie stieß ein Geräusch aus, das nicht menschlich war. Saul verzog das Gesicht und wollte ihr den Kolben der M-16 ins Gesicht stoßen, als Jensen Luhar von einem Ast der Eiche heruntersprang und heftig mit dem Unterarm gegen Sauls Hals schlug.
Saul schrie und feuerte mit der M-16 auf Vollautomatik, wobei er versuchte, Luhar vor die Mündung zu bekommen, es ihm aber nur gelang, Zweige und Laub über sich zu zerfetzen. Luhar lachte und riß Saul das Gewehr aus der Hand, das er zwanzig Meter weit in die Dunkelheit schleuderte. Saul wehrte sich, drängte das Kinn gegen Luhars kräftigen Unterarm, damit er nicht erwürgt wurde, und versuchte gleichzeitig, die linke Hand aus dem Biß der Frau zu winden. Mit der Rechten krallte er über die Schulter und versuchte, Gesicht und Augen des Schwarzen zu erreichen.
Luther lachte wieder und hob Saul in einem Halbnelson. Saul spürte, wie der Hautlappen der linken Hand weggerissen wurde, dann wirbelte Luhar herum und warf ihn zwei oder drei Meter durch die Luft. Saul fiel schwer auf das verletzte linke Bein, rollte sich auf einer Schulter ab, die zu brennen schien, und kroch auf Händen und Knien zu der Tasche, in der Colt und Uzi verstaut waren. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm Jensen Luhar in Ringerhaltung, Schweiß und Sauls Blut glänzten auf seinem nackten Körper, Miß Sewell war auf allen vieren und sprungbereit, das struppige Haar hing ihr in die
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