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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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die Hand der Frau hielt. »Es war stets eine große Enttäuschung für mich, daß wir uns nicht schon früher kennengelernt haben. Darf ich fragen, was Sie auf unsere kleine Insel geführt hat?«
    »Reine Neugier, Sir«, sagte die Erscheinung mit dem irren Blick. Wenn sie sich bewegte, konnte Harod das dichte V ihres Schamhaars unter dem zerrissenen Hemd erkennen.
    Barent stand kerzengerade da, lächelte und streichelte der Frau immer noch die schmutzige Hand. »Ich verstehe«, sagte er. »Es wäre nicht nötig gewesen, inkognito herzukommen, Miz Fuller. Sie wären persönlich höchst willkommen auf der Insel gewesen - jederzeit -, und ich bin sicher, Sie hätten unsere bescheidenen ... äh ... Unterkünfte im Gästeflügel des Herrenhauses weitaus gemütlicher gefunden.«
    »Danke, Sir«, sagte das Surrogat lächelnd. »Ich bin im Augenblick indisponiert, aber wenn es mein Gesundheitszustand erlaubt, werde ich gerne auf Ihre großzügige Einladung zurückkommen.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Barent. Er ließ ihre Hand los und ging zu seinem Stuhl zurück. Seine Wachen entspannten sich ein wenig und senkten die Uzis. »Wir waren gerade im Begriff, ein Schachspiel zu beenden«, sagte er. »Unsere neuen Gäste müssen daran teilnehmen. Miz Fuller, würden Sie mir die Ehre erweisen und gestatten, daß Ihr Surrogat auf unserer Seite mitspielt? Ich versichere Ihnen, ich werde nicht zulassen, daß die Gefahr, geschlagen zu werden, einen Schatten auf ihre Teilnahme wirft.«
    Die Frau strich die Fetzen des Hemds glatt, fuhr mit den Fingern durch ihre Haarsträhnen und entfernte ein paar vor den Augen. »Die Ehre wäre ganz auf meiner Seite, Sir«, sagte sie.
    »Wunderbar«, sagte Barent. »Herr Borden, ich nehme an, Sie möchten Ihre beiden Figuren benützen?«
    »Ja «, sagte Willi, »mein alter Bauer wird mir Glück bringen.«
    »Bestens«, sagte Barent, »sollen wir beim sechsunddreißigsten Zug weitermachen?«
    Willi nickte. »Ich hatte beim Zug zuvor Ihren Läufer geschlagen«, sagte er. »Dann haben Sie Ihren König als Reaktion auf K-Q3 Richtung Zentrum geführt.«
    »Ah«, sagte Barent, »meine Strategien sind für einen Meister viel zu leicht zu durchschauen.«
    »Ja «, stimmte Willi zu. »Das sind sie. Lassen Sie uns spielen.«
    Natalie stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als sie irgendwo östlich von Sapelo Island aus den Sturmwolken herauskamen. Der Wind schleuderte die Cessna immer noch hin und her, und das Licht der Sterne zeigte ein Meer voll weißer Schaumkronen tief unter ihnen, aber immerhin war die wilde Achterbahnfahrt zu Ende. »Noch etwa fünfundvierzig Minuten«, sagte Meeks. Er rieb sich das Gesicht mit der linken Hand. »Gegenwind verlängert den Flug um etwa eine halbe Stunde.«
    Jackson beugte sich nach vorn und sagte leise in Natalies Ohr: »Glauben Sie wirklich, sie werden uns landen lassen?«
    Natalie lehnte die Wange an die Fensterscheibe. »Wenn die alte Frau sich an ihr Versprechen hält. Vielleicht.«
    Jackson lachte schnaubend. »Glauben Sie, das macht sie?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Natalie. »Ich finde es viel wichtiger, daß wir Saul da rausholen. Ich glaube, wir haben getan, was wir konnten, um Melanie zu zeigen, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt zu handeln.«
    »Klar, aber sie ist verrückt«, sagte Jackson. »Verrückte handeln nicht immer den eigenen Interessen gemäß, Mädchen.«
    Natalie lächelte. »Das dürfte wohl erklären, weshalb wir hier sind, hm?«
    Jackson strich ihr über die Schulter. »Haben Sie sich überlegt, was Sie tun wollen, wenn Saul tot ist?« fragte er leise.
    Natalie bewegte den Kopf fast unmerklich auf und ab. »Wir holen ihn raus«, sagte sie. »Dann gehe ich zurück und bringe dieses Ding in Charleston um.«
    Jackson lehnte sich zurück, rollte sich auf dem Sitz zusammen und atmete eine Minute später lautstark im Schlaf. Natalie betrachtete das Meer, bis ihre Augen weh taten und sie sich dem Piloten zuwandte. Meeks sah sie seltsam an. Als er mit ihrem Blick konfrontiert wurde, griff er sich an die Baseballmütze und konzentrierte sich wieder auf die Instrumente.
    Saul war verwundet, blutete und mußte alle Anstrengung aufbieten, nur bei Bewußtsein und stehenzubleiben, und dennoch war er zufrieden, genau da zu sein, wo er sich befand. Er wandte den Blick nie länger als zwei Sekunden von dem Standartenführer ab. Nach fast vierzigjähriger Suche hielt er - Saul Laski - sich im selben Raum wie Standartenführer Wilhelm von Borchert

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