Kraft des Bösen
Mund hing offen. Er deutete auf Willi. »Sie haben es versprochen. Sie haben gesagt, ich könnte den Platz mit ihr tauschen ...« Harod nickte mit dem Kopf in Maria Chens Richtung, ohne Barents ausgestreckte Hand aus den Augen zu lassen. »Mr. Barent hat es gehört. Es hat gesagt, es wäre in Ordnung.«
Willis Gesichtsausdruck änderte sich von Verdrossenheit zu gelinder Erheiterung. »Er hat recht, Herr Barent. Wir haben uns geeinigt, daß er die Rollen tauschen kann.«
Barent wurde wütend. »Unsinn. Er hat davon gesprochen, mit dem Mädchen zu tauschen, wenn sie bedroht wird. Das ist absurd.«
»Sie haben es gesagt!« winselte Harod. Er rieb die Hände aneinander und streckte sie dem Standartenführer entgegen, als wollte er um dessen Fürsprache bitten. »Willi, sagen Sie es ihm. Sie haben doch beide gesagt, ich könnte tauschen, wenn ich wollte. Sagen Sie es ihm, Willi. Bitte. Sagen Sie es ihm.«
Der Standartenführer zuckte die Achseln. »Es liegt bei Ihnen, Herr Barent.«
Barent seufzte und sah auf die Uhr. »Dann lassen wir die Dame entscheiden. Ms. Chen?«
Maria Chen sah Tony Harod durchdringend an. Saul konnte den Ausdruck in ihren dunklen Augen nicht deuten.
Harod zappelte, sah in ihre Richtung, wandte sich wieder ab.
»Ms. Chen?« sagte Barent.
»Ja«, flüsterte Maria Chen.
»Was? Ich habe Sie nicht verstanden.«
»Ja«, sagte Maria Chen.
Harod sackte in sich zusammen.
»Welch eine Verschwendung«, sagte der Standartenführer. »Ihre Position ist sicher, Fräulein. Wie das Spiel auch immer ausgeht, Ihr Bauer ist in Sicherheit. Es wäre eine Schande, wenn Sie den Platz mit diesem wertlosen Stück Dreck tauschen würden.«
Maria Chen antwortete nicht. Sie ging mit erhobenem Kopf zu seinem dunklen Quadrat und sah ihn nicht an, als sie die Plätze tauschten. Ihre hohen Absätze hallten auf den Fliesen. Als sie sich umdrehte, lächelte Maria Chen Miß Sewell zu und wandte das Gesicht zu Harod. »Ich bin bereit«, sagte sie. Harod sah sie nicht an.
C. Arnold Barent seufzte und strich ihr behutsam mit den Fingerspitzen über das rabenschwarze Haar. »Sie sind sehr hübsch«, sagte er. Er trat auf das Feld. »König schlägt Bauer.«
Maria Chen krümmte den Hals nach hinten und riß den Mund unvorstellbar weit auf. Trockene rasselnde Laute kamen heraus, als sie vergeblich versuchte, Luft zu holen. Sie kippte nach hinten und zerfleischte mit den Fingern die Haut ihres Halses. Die schrecklichen Geräusche und Zuckungen dauerten fast eine ganze Minute.
Während sie den Leichnam wegschafften, versuchte Saul zu analysieren, was Barent und der Standartenführer vorhatten. Er kam zum Ergebnis, daß sie nicht eine neue Dimension ihrer Fähigkeit manifestierten, sondern lediglich ihre vorhandenen Kräfte für eine brutale Machtdemonstration heranzogen und das willkürliche und selbständige Nervensystem der fraglichen Personen übernahmen, dessen grundlegende biologische Programmierung sie außer Kraft setzten. Das war für die beiden sichtlich kräftezehrend, aber der Vorgang mußte derselbe sein: plötzliches Auftauchen des Theta-Rhythmus im Opfer, gefolgt vom Beginn des künstlichen REM-Stadiums und dem Verlust der Kontrolle. Saul war bereit, sein Leben dafür aufs Spiel zu setzen.
»König auf Dame fünf«, sagte der Standartenführer und rückte gegen Barent vor.
»König auf Springer vier«, konterte Barent und ging diagonal eine schwarze Fliese zurück.
Saul versuchte sich einen Weg vorzustellen, wie Barent aus der Situation Kapital schlagen konnte. Er sah keinen. Miß Sewell - Barents schwarzer Bauer in der Turmreihe - konnte vorwärtsgeschoben werden, hatte aber keine Chance, das achte Feld zu erreichen, solange dem Standartenführer ein Läufer zur Verfügung stand. Harods Bauer wurde von Tom Reynolds blockiert und war nutzlos.
Saul sah kurzsichtig zu dem sechs Meter entfernten Harod. Dieser hatte den Kopf gesenkt und schien nicht zu bemerken, daß sich das Spiel um ihn herum rasch dem Ende näherte.
Der Standartenführer konnte uneingeschränkt über Saul - seinen Läufer - verfügen und den schwarzen König bedrängen, wie es ihm beliebte. Er sah keinen Ausweg für Barent.
»König auf Dame sechs«, sagte der Standartenführer und trat auf ein schwarzes Feld in derselben Reihe wie Reynolds.
Eine schwarze Fliese trennte Willi Barent in der Diagonalen. Der Standartenführer spielte mit dem Milliardär.
Barent grinste und hob drei Finger zu einem spöttischem Salut. »Ich gebe auf, Herr
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