Kramp, Ralf (Hrsg)
stand offen. Die drei Schneidewalzen waren nicht in Betrieb. Hier wurde der Mist eingefüllt, gewalzt und klein geschnitten und dann weitergeleitet in ein Silo, wo beim Gärungsprozess das Gas entstand, das wiederum zur Stromerzeugung eingesetzt wurde. Was am Ende der Geschichte übrigblieb, wurde als Dünger auf den Feldern ringsum verteilt. Eine rundherum effektive Angelegenheit.
In den nächsten Wochen beobachtete Stefan aufmerksam das Treiben seines neuen Pächters. Sportwagen und Limousinen in allen denkbaren Varianten fuhren an seinem Büro vorbei zur Kfz-Halle, die meisten hatten Kölner, Düsseldorfer oder Bonner Kennzeichen. Vereinzelt sah er Nummernschilder aus Holland, Belgien, Luxemburg, auch schon mal Frankreich. Dann fuhren die Sportwagen wieder raus, und jetzt hatten auch sie ausländische Kennzeichen, und sie waren nicht mehr schwarz, sondern gelb, nicht mehr silbern, sondern rot.
Stefan hatte kein gutes Gefühl.
An einem Sommermorgen im August schlüpfte er in seine wattierte Daunenjacke und lief die paar Schritte zu Stommels Halle hinüber. Vor der Tür stand ein Bulle von einem Mann, die Schultern so breit, dass Stefan sich hinter ihm hätte verstecken können, die muskulösen Arme verschränkt. Ein Türsteher, dachte Stefan. Ich werd’ verrückt.
»Ich möchte gern Herrn Stommel sprechen«, sagte er und wartete darauf, dass der Bodybuilder den Weg freigab und ihn hereinbat. Doch der verschwand nur in der Halle und schloss die Tür hinter sich. Nach wenigen Minuten kam Stommel heraus, gefolgt von seinem Schläger, der die Tür sofort wieder schloss, sodass Stefan keine Gelegenheit hatte, ins Innere der Halle zu sehen.
»Was ist los?« Stommel war offenbar nicht freundlich gestimmt.
»Herr Stommel, ich würde sehr gerne mal mit Ihnen über Ihre Geschäfte sprechen. Wie soll ich es ausdrücken ... Ich hab so das Gefühl, dass hier nicht alles ... naja ... im Einklang mit den Gesetzen abläuft.«
Stommel runzelte die Brauen. Seine Lippen verzogen sich spöttisch.
»Hör zu, Kleiner«, sagte er, und seine Stimme senkte sich um einige Tonlagen. »Was hier abläuft, geht dich gar nichts an. Und wage es bloß nicht, deine Nase in meine Geschäfte zu stecken. Das würde dir leid tun.«
Die Bulldogge hinter Stommel trat ganz dicht an Stefan heran und stupste ihn mit einem Finger gegen die Brust. Stefan wankte ein paar Schritte zurück.
»Außerdem stinkt es schon wieder zum Gotterbarmen«, schob Stommel nach. »Bei dem Gestank verliere ich meine Kunden. Stell das ab, oder
ich
stell es ab, klar? Und das willst du sicher nicht!«
Benommen vor Schreck entfernte sich Stefan. Opa Dittus, der die Szene von seiner Werkstatt aus beobachtet hatte, fing ihn ab. »Alles klar?«
Stefan schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Der wird uns noch richtig Schwierigkeiten machen, fürchte ich.«
Opa Dittus kratzte seinen imaginären zeigefinger. »Es gibt Regen«, stellte er fest.
Im Büro wählte Stefan die Nummer der Verbandsgemeindeverwaltung und hatte bald Bürgermeisterin Heike Bohn am Telefon. »Wir haben ein Problem«, sagte er.
Als er am Abend dieses Tages nach Hause fahren wollte, waren sämtliche Reifen seines Autos zerstochen. Er rief seine Freundin an und ließ sich abholen.
Am nächsten Morgen wurde er an der Tür zum HIGIS-Zentrum schon von Josef Weber erwartet. »Jemand ist ins Büro der Biogas-Anlage eingebrochen und hat es völlig verwüstet«, erzählte Josef. Stefan rief die Verbandsbürgermeisterin an und bat sie zu kommen. Während sie auf Heike warteten, kam Opa Dittus vorbei. »Was ist los, Jungens?«, fragte er.
Stefan deutete auf die zerstochenen Reifen seines Wagens. »Jemand macht Ärger.«
Opa Dittus nickte. »Da müssen wir was unternehmen. Ich denk mal drüber nach.«
Opa Dittus war ein großer Tüftler vor dem Herrn. Stefan wusste, dass er mehrere Patente für Kleinteile besaß, die von vielen Autoherstellern gebraucht wurden. Wenn jemand eine Idee hatte, dann Opa Dittus.
Nachdem die Bürgermeisterin mit ihrem kleinen Mini auf den Parkplatz gebrettert war, stiegen alle vier die Treppe in den ersten Stock hinauf und setzten sich um den Tisch in Stefans Büro.
Auf die Hilfe der Polizei zu setzen, schlossen sie von vornherein aus. Stefan hatte sie natürlich verständigt und Anzeige erstattet, aber daraus würde nichts werden. Das war klar.
»Wir müssen den irgendwie loswerden«, stellte Heike Bohn fest.
»Wenn wir ihm kündigen, macht der uns hier alles platt«, sagte
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