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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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hatte. Gleich würde er alles nach oben in seine Werkstatt bringen und in den nächsten Tagen dann weiter wegschaffen. Und dann würden alle Spuren verwischt sein. Alle.
    In diesem Moment sah er etwas im Halbdunkel unter der Pritsche liegen. War das einer seiner Schraubenzieher? Er bückte sich und schob die Hand unter die metallene Liegefläche. Als er das Werkzeug hervorgeholt hatte und betrachtete, schüttelte er amüsiert den Kopf. Wie leicht einem Fehler unterlaufen konnten. Ein kleiner, harmloser Schraubenzieher hätte am Ende vielleicht alle seine Pläne durchkreuzen können, hätte ihr womöglich die Chance gegeben, sich in einem unbeobachteten Augenblick an der Tür zu schaffen zu machen. Sie hätte vielleicht eine der Lampen öffnen und sich an der Elektrik zu schaffen machen können. Oder – er schauderte – sie hätte mit Hilfe dieses Geräts sogar den Freitod wählen können.
    Er warf ihn auf den Boden des Vorraums und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er sich kullernd im Kreis drehte ...
    ... und leicht gegen die Wasserwaage stieß
    ... die langsam zur Seite rutschte und die Metallplatte anstieß ...
    ... die Übergewicht bekam und den Schweißapparat in Bewegung setzte ...
    ... der sich auf seinen vier gut geölten Rollen auf den Knopf neben der Tür zubewegte ...
    ... und ihn betätigte.
    Maternus wurde von einem namenlosen Entsetzen ergriffen, als er sah, wie sich in diesem Moment die drei Stahllamellen der Tür auffächerten. Er warf sich nach vorne, rutschte mit dem rechten Fuß auf dem nackten, glatten Boden weg und stürzte. Er robbte nach vorne, bekam schließlich die sich unerbittlich zuschiebende Tür zu fassen, erkannte, dass es keine Chance mehr gab, durch die immer kleiner werdende Öffnung hindurchzuschlüpfen, stieß einen furchtsamen Schrei aus und versuchte, die Tür in ihrem Lauf aufzuhalten. Aber die hydraulische Kraft war zu stark und drückte ihn weg, quetschte einen seiner Finger ein, was ihm erneut einen gellenden Schrei entlockte, und schloss sich mit einem dumpfen Geräusch für immer.
    Es dauerte nur eine kurze Weile, bis Maternus bis in die letzte Konsequenz begriff, was das, was gerade geschehen war, für ihn bedeutete. Er warf sich gegen die mannshohe Panzerglasscheibe und hämmerte mit den Fäusten so lange dagegen, bis seine Handballen wund wurden und zu bluten begannen, er drückte immer wieder sein Gesicht gegen die Scheibe und schickte panische Blicke hindurch. Er sah den Stromspeicher, sah die umgekippten Werkzeuge. Er sah die Öffnung, die zu dem Gang führte, durch den man in das Sarglager kam. Er wusste, dass nicht das kleinste Geräusch aus diesem Raum herausdringen konnte, und trotzdem schrie er, bis er heiser wurde. Er riss an der stählernen Toilettenschüssel, zerrte an dem Bett, er schrie und schrie und schrie ...
    ... und hörte erst nach zwei Stunden entkräftet auf, als er daran denken musste, dass er in diesem Moment an ihrer Tür im Rehwinkel hätte klingeln sollen. Und sie hätte geöffnet, und vielleicht hätte sie ihn nicht gleich erkannt und hätte sich ihm erneut vorgestellt. Und sie hätte ihre vollen roten Lippen gespitzt, während sie ihren Namen gesagt hätte, den er nun nie wieder hören würde: »Guten Abend, ich bin Olivia Osterhoven.«

Es liegt was in der Luft ...
    E RIKA K ROELL
    Ein perfekter Sommermorgen in der Eifel, dachte Stefan Mertes, als er aus dem Wagen stieg. Mindestens vier Grad, und es regnete nur ganz leicht.
    Er sah auf die Uhr. Ein paar Minuten blieben ihm noch bis zum ersten Termin. Er zündete sich eine zigarette an.
    Vom Ende des Gebäudes schlurfte eine kleine Gestalt in seine Richtung. Opa Dittus. Eigentlich hieß er Ernst, aber das hatte er vermutlich selbst schon vergessen. Alle nannten ihn Opa Dittus.
    Bei Stefan angekommen, zog er schnüffelnd die Nase hoch. »Die scheinen wieder mal ein Problem zu haben«, stellte er fest und stieß seinen nicht mehr vorhandenen rechten Zeigefinger in Richtung der Biogasanlage auf der anderen Straßenseite. Stefan schnupperte. Tatsächlich. Von drüben wehte ein zarter Gülleduft herüber. Offenbar wieder ein Leck in irgendeiner Leitung. Das kam gelegentlich vor, störte aber nicht weiter.
    Opa Dittus kratzte vor dem Stummel seines fehlenden Fingers die Luft. »Es gibt Regen«, kündigte er an und ignorierte die feinen Tropfen, die schon jetzt auf seiner Glatze landeten. »Der Finger juckt.«
    Opa Dittus führte mit seiner Familie im HIGIS in Wiesbaum einen zuliefererbetrieb

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