Kramp, Ralf (Hrsg)
Osterhoven« matt und lustlos geklungen hatte. Darüber hinaus hatte sie vielleicht höchstens das ein oder andere Mal sein Atmen auf dem Anrufbeantworter hören können. War das eine Belästigung?
Als er an jenem Abend anrief, hatte sie den Text erneut verändert. Er hörte: »Guten Tag! Hinterlassen Sie eine Nachricht! Und wenn du es bist, der hier tausendmal anruft, ohne sich zu melden, dann fick dich ins Knie, du perverse Drecksau!«
Kein einziges O!
Noch nie hatte Maternus Zillgen eine solche Wut verspürt. Warum wurde ihm denn nur alles genommen? Wieso warf sie sich diesem blöden Treckerschrauber an den Hals und bestahl ihn außerdem auch noch seiner kleinsten telefonischen Freuden?
Voller Wut stieg er in seinen Wagen, voller Wut fuhr er zu Manni Leischs kleinem Aussiedlerhof, der in Richtung Udler am Waldrand lag, voller Wut zog er dem verdutzten Manni einen rostfleckigen 50er Ringschlüssel über den Schädel und verstaute ihn danach im Sarg der viel zu früh verstorbenen Sabine Marten, die elf Tage auf dem Dachboden ihres Hauses am Strick gebaumelt hatte und entsprechend aussah, und die deshalb vor ihrer Einäscherung am nächsten Morgen auch keiner ihrer wenigen Anverwandten mehr sehen wollte.
Das war jetzt ein halbes Jahr her. Und von da an hatte für Maternus ein Wettlauf gegen die Zeit begonnen, als Olivia Osterhoven eines Tages angeblich beim Kohla im Irish Pub erzählt hatte, sie wolle wegziehen. Ihre amouröse Unglücksserie sei ein Dauerthema im Dorf, die Polizei habe sie mit endlosen Befragungen arg bedrängt, sie habe sich wochenlang krankschreiben lassen müssen. Für sie sei es angeblich Zeit, die Eifel zu verlassen und irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen.
Maternus erkannte, dass er handeln musste.
Von da an hatte er seine gesamte Freizeit in diese Anlage investiert. Das System basierte auf einem Bauplan eines privaten Atombunkers, den er im Internet gefunden hatte. In einer neun Quadratmeter großen Kabine würde er Olivia Osterhoven nur für sich haben. Niemand würde ihre Rufe hören, denn die Lüftungsanlage war schalldicht eingerichtet worden. Sie würde Frischwasser hineingepumpt bekommen, wenn er das wollte, sie würde ihre Mahlzeiten durch einen Schacht hineingeschoben bekommen, wenn er der Meinung war, dass es an der Zeit war. Sie würde sich all dies verdienen müssen. Sie musste nicht viel tun, sie musste lediglich ihren Kussmund in die Richtung der drei Kameras halten, die sie rund um die Uhr beobachteten. Mehr wollte er nicht.
Zunächst.
Maternus zillgen war ungemein stolz auf seinen sorgfältig ausgetüftelten Plan. Niemand hatte bei seinen Arbeiten Verdacht geschöpft. Die Baumaterialien waren allesamt ungesehen im Leichenwagen herangeschafft worden, und der Abraum war unbemerkt dem Aushub der Beerdigungen der letzten sechs Monate beigemengt worden. In seiner Werkstatt, im Sarglager, in seinem ganzen Haus gab es nichts, was auf die geheimen Räume hinwies oder was irgendeinen Verdacht zuließ, der ihm zum Verhängnis werden konnte.
Die Kameras waren mit seinem Smartphone verbunden, das er stets bei sich trug und nie aus der Hand gab. Er hatte sich extra ein größeres Gerät zugelegt, um die empfangenen Bilder künftig besser genießen zu können. Aber die Krönung war natürlich eine mannshohe Scheibe aus Panzerglas, durch die ihm Olivia trotz ihrer Ummauerung ganz nah sein würde.
Jetzt, während er die leeren Schachteln der Energiesparleuchten zusammenfaltete, verspürte er den brennenden Wunsch, sie noch einmal anzurufen. Er wollte ihrer Stimme lauschen, er wollte hören, wie sie warm und samtweich ihren Namen sagte: »Olivia Osterhoven«. Aber hier unten hatte er keinen Handyempfang.
Außerdem musste er nur etwas Geduld haben. In zwei Stunden würde sie hier sein. Er hatte sich vor ein paar Tagen telefonisch auf ihre zeitungsannonce gemeldet, in der sie ihr Haus zum Verkauf anbot. Sie würde ihn völlig arglos empfangen, und er würde sie mit einem Lappen voll Äther im Handumdrehen ihres Bewusstseins berauben. Und dann würde sie ihr Haus verlassen und
ihr neues Leben
beginnen. Tief unter den Gräbern von Gillenfeld.
Er trug die Wasserwaage aus dem Raum und lehnte sie im Vorraum an das Schweißgerät. Das Blechgehäuse, das den Toilettenspülkasten abdeckte, war nun mit einer sauberen Naht in exakt der richtigen Position an der Metallwand festgeschweißt. Die Akkulampe musste noch raus und auch die Holzplatte, mit der er die Schweißfunken aufgefangen
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