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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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Heimkehr.
    »Du linker Vogel«, schimpfte Jost und riss wütend die Stricke herum.
    Das gleiche hinterhältige Spiel spielte Mary nun bei jedem Feld- und Wiesenweg, der abzweigte. Jedes Mal versuchte sie abzubiegen, als sei sie ferngesteuert. Und je mehr Jost schimpfte, drohte und zerrte, desto bockiger wurde sie. Sie machte, was sie wollte, wechselte von einer Sekunde auf die andere vom Trab in den Galopp, scheute ohne ersichtlichen Grund oder tänzelte herum wie ein Zirkuspferd.
    In der Nähe des Holzmaars, als sie am Waldrand entlangritten, beschloss sie so nah am Straßenrand zu laufen, dass Jost sich auf sie legen musste, um nicht von ausladenden Ästen getroffen zu werden. Er schlug ihr die Hacken in die Flanken und zerrte an ihrer Mähne, rutschte gefährlich auf der Wolldecke hin und her, konnte sich kaum noch auf ihr halten und verfluchte sie und die Tatsache, dass er nur diese blöden Stricke hatte: keinen richtigen Sattel, keine Steigbügel, keine Kandare und vor allem keine Peitsche!
    »Ich knall dich ab!«, drohte er verzweifelt.
    Aber Mary schien zu wissen, dass er keine Waffe besaß, und bog mit fliegender Mähne ungehindert in den nächsten Waldweg ein. Für einen Augenblick musste sich Jost aufrichten, um in der Kurve nicht runterzufallen. Da war es unmöglich, sich gleichzeitig unter dem schweren Ast wegzubücken, der wie aus dem Nichts auf ihn zugerast kam. Der Schlag gegen die Stirn haute ihn um. Sein Kopf wurde nach hinten geschleudert, es krachte in seinem Genick, sein Oberkörper schwankte, als er sich benommen wieder aufrichtete, und sank schließlich auf den Pferdehals. Mit letzter Kraft klammerte sich Jost an der Mähne fest. Dann enthob ihn eine Ohnmacht gnädig aller Probleme.
    Ein fröhliches Wiehern drang in sein Bewusstsein. Sein Körper wurde durchgeschüttelt, sein Kopf drohte zu zerspringen, vorsichtig öffnete er die Augen und sah die Pferdemähne, in die er immer noch seine Finger gekrallt hatte. Erschrocken suchte er nach zügeln, bekam aber nichts zu fassen. Als er versuchte, sich einigermaßen gerade hinzusetzen, pochte hinter seiner Stirn ein rasender Schmerz. Es wurde nicht eben besser davon, dass er das Schild »Reitsportverein Gerolstein«, das an einer großen Halle prangte, auf sich zukommen sah.
    Auf dem Platz vor dem Stallgebäude, neben dem Misthaufen, standen zwei Mädchen in Reitbekleidung, die sich nur in der Tatsache zu unterscheiden schienen, dass die eine einen Reithelm trug und die andere nicht.
    »Da kommt ja Mary!«, rief das Mädchen mit Reithelm, aus dem ein blonder Pferdeschwanz über ihre Schultern hing.
    »Ja, stimmt, das ist Mary!«, freute sich die andere.
    Mary machte einen letzten stürmischen Satz, ging vor dem Misthaufen in die Knie und senkte den Kopf, als verbeuge sie sich. Jost verlor jeden Halt, rutschte über ihren Hals hinweg und landete nach einem Salto mitten in dem dunkelbraunen, klebrigen Gemenge. Die Landung war sanft, aber widerlich. Er streifte sich ein paar ätzend stinkende Halme aus dem Gesicht.
    Nach diesem Kunststück trabte Mary stolz in Richtung Weide. Die beiden Mädchen, die schreiend beiseite gesprungen waren, traten näher und beugten sich neugierig über Jost.
    »Haben Sie sich verletzt?«, fragte das Mädchen mit Reithelm und zeigte auf seine Stirn.
    Er nickte vorsichtig, denn sein Kopf fühlte sich an wie eine tickende Bombe. Er blickte in zwei junge Gesichter. Eine neue Generation war im Reiterhof Gerolstein angekommen. Noch konnte alles gut enden.
    Willkommen.
    »Was ist denn bei euch los?«, rief eine Männerstimme aus der Ferne.
    Jost schaffte es nicht, sich aufzurichten um zu sehen, welche Katastrophe sich als Nächstes anbahnte. Aber er spürte, dass sie kam, mit jedem einzelnen stinkenden Strohhalm. Schlurfende Schritte näherten sich, stoppten erst, als eine Schuhspitze gegen Josts Hosenbein stieß. Ein faltiges Gesicht, halb im Schatten einer Schirmmütze, beugte sich über ihn. zusammengekniffene Augen musterten ihn. Wenn das nicht der Walther war!
    Er ist es. Ich bin geliefert.
    »Das ist doch ... doch der ... wie heißt er noch gleich?«, fragte sich Walther, kratzte sich am Hinterkopf und schob seine Mütze zurück. »Mir will sein Name partout nicht einfallen. Haben wir den nicht rausgeschmissen?«
    Ja, genau und das war nicht fair.
    »Wie kommt der denn hierher?«
    »Mary hat ihn hergebracht«, erklärte das Mädchen mit dem Reithelm.
    »Was? Unsere alte Mary ist wieder da?«, fragte Walther überrascht. »Wo

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