Kramp, Ralf (Hrsg)
doch vergessen.
»So, hier sind die Gläser«, sagte Bogdan und stellte sie auf den Tisch. Er öffnete eine Flasche und begann einzuschenken. »Alle Bier?«, fragte er. Er sah Ritchie an. »Was guckst du so blöd?«
Ritchie schüttelte den Kopf. »Ach nichts, ich überlege nur, ob ich die äh … die, na, die Dinger richtig zugemacht habe.«
Zur Antwort flog mit einem Krachen die Schlafzimmertür auf. Schwerfällig torkelte die Frau heraus und rief: »Hilfe, Hilfe, ich bin entführt worden! Bitte helfen Sie mir!« Sie blickte zum Wohnzimmer, wo sie Personen erkannte, stolperte weiter und rief: »Hilfe! Hil…«
Plötzlich stockte sie.
»Heinz? Ich denke, du bist in Amerika?« Dann fiel ihr Blick auf die Frau. »Margit? Und was machst du hier?«
»Ach, ist das gar nicht deine Frau?«, fragte Bogdan den Autohändler und zeigte auf Margit.
»Nein, ich bin seine Frau!« Die Blondine schnappte nach Luft und hielt sich am Türrahmen fest. »Aber wie kommt der hierher? Was läuft hier eigentlich?«
»Jetzt weiß ich auch, warum der nicht ans Telefon geht«, überlegte Ritchie und nickte bedeutend.
Der Autohändler hatte sich in einer fließenden Bewegung aus seiner fast liegenden Position aufgerichtet, Margit ein Stück zur Seite geschoben und ein falsches Lächeln aufgesetzt, das jede Rostlaube an den Mann gebracht hätte. »Aber Schatz! Wo kommst du denn her? Das ist aber eine schöne Überraschung!«
»Gar keine schöne Überraschung, du Arschloch! Diese beiden Volltrottel hier haben mich entführt, und kaum dass ich mich befreie, sehe ich meinen Mann mit meiner besten Freundin auf dem Sofa sitzen! Ich glaube, ich drehe durch!«
Bogdan ging zu Ritchie und stupste ihn an. »Ey, ich glaube, die haben was zu bequatschen, wir lassen die jetzt mal alleine, oder?«
»Super Idee«, stimmte Ritchie zu und winkte vage in den Raum, »wir gehen dann mal! Tschüssi!« Doch niemand beachtete sie. Margit hatte noch immer nichts gesagt, ihr Entführungsopfer begann in den Küchenschubladen zu kramen, und der Autohändler legte einen Finger an den Mund und flötete: »Schatz, was suchst du? Kann ich dir helfen?«
Vorsichtig drückten sie sich zur Tür hinaus. Im Garten packte Bogdan Ritchie am Kragen und hob seine Faust.
»Ey, du Endarsch! Du bist so blöd, ich könnte immer nur reinschlagen! Wieso Gönnersberg?«, zischte Bogdan.
»Egal«, erwiderte Ritchie und hob beruhigend die Hände, »lass uns einfach abhauen, ja?«
Er drehte sich noch einmal zum Haus um. Aus der offenen Tür hörte er den Autohändler rufen: »Schatz, was willst du mit dem Messer? Sei vorsichtig, du könntest jemanden verletzen!« Dann wandte er sich ab und rannte zum Auto.
Im Aufheulen des Motors, den Bogdan schon gestartet hatte, war es ihm, als hätte er undeutlich einen schrillen, entsetzlichen Schrei gehört.
Die Zahnfee
VON M ELANIE R AABE
Vier
Er steht neben mir, er sieht mich nicht an. Es ist Nacht, aber wir sind endlich da. Das Holzmaar. Er lässt seinen Blick über den See schweifen und erzählt mir irgendetwas über die Geschichte der Vulkaneifel, ich höre nicht hin. Er entdeckt etwas im schwarzen Wasser, einen Frosch vielleicht oder etwas ganz anderes. Er hockt sich hin, zeigt darauf, sagt etwas, ich höre noch viel weniger hin. Er merkt das nicht. Er merkt auch nicht, dass ich nicht mehr neben ihm stehe. Er redet und merkt gar nicht, wie etwas hinter ihn tritt, großmächtigundschön, wie es einen großen Stein nimmt. Er merkt es nicht. Aber wie der Stein auf seinen Hinterkopf kracht, das merkt er. Das muss er aber auch merken, so oft, wie der Stein kracht. So oft, bis es blutet. So oft, bis es splittert, so oft, bis er sich nicht mehr bewegt. Ich weiß, dass er tot ist. Ich wasche meine Hände im See.
Drei
Er will nach Hause. Es ist längst Abend, ich bin selbst müde, aber ich will an den See. An das Holzmaar. Holzmaar, das klingt wie Zauberei. Ich denke an die Figuren aus den Kinderbüchern, an Sagengestalten, an Trolle und Elfen und Gnome. Ich überrede ihn, und wir fahren. Die Sonne ist längst untergegangen, als wir parken. Ich sage, dass die Elfen sicher schon schlafen, und er lacht. Wir steigen aus, Nebel hängt über dem Holzmaar. Ich höre ein eigenartiges Summen, wie von tausend leisen Stimmen, sind sie doch da, die Elfen? Ich trete ans Ufer des Maars, ich hocke mich hin, berühre mit den Fingerspitzen die Wasseroberfläche, und kaum, dass ich das getan habe, fühle ich die Magie. Ich sehe mein Spiegelbild im Wasser,
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