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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 3
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ein Mörder ist. Aber eine Wut muss Tamaras Mörder gehabt haben, denn man erdrosselt keinen in Sekundenschnelle. Das dauert, und das Opfer wehrt sich, und man ist gezwungen, ihm dabei in die Augen zu schauen. Da muss sich viel angestaut haben in einem Leben, dass man zu so einem Mörder wird.
    »Was machen wir denn jetzt mit dem Schleiertanz?« Erika Maul ist plötzlich ganz nervös, das Taftkleid verrutscht, die Frisur aufgelöst, und Felix versteht nicht warum. »Ist denn die entführte Braut schon zurück?«, fragt er dämlich. Er hat heute sein Publikum nicht im Blick. Eine Todsünde für einen Alleinunterhalter.
    »Sie können sie nicht finden, der Robin ist schon ganz sauer. Ich hab gedacht, mit dem Schleiertanz können wir vielleicht die Stimmung ein bisschen aufmöbeln. Schau dir doch die jungen Mädchen an. Die warten schon drauf.«
    So durcheinander hat Felix Erika Maul noch nie erlebt, diese Frau, die eigentlich immer alles im Griff hat. »Aber für den Schleiertanz brauchen wir den Brautschleier. Und wenn die Braut nicht da ist, dann fehlt doch der Schleier«, wirft er ein.
    »Dann spiel was anderes, damit die Hochzeit nicht ganz den Bach runtergeht!«, befiehlt sie.
    Felix spürt die Wut ihn ihrer Stimme und die Verzweiflung. Die verpatzte Hochzeit ist eine Katastrophe für sie. All die Arbeit, all die Energie, die sie da reingesteckt hat, alles für ihren Robin! Und was werden die Leute sagen, wenn die Braut nicht mehr auftaucht? Hat er überhaupt schon mal eine Hochzeit erlebt, bei der die Braut verschwunden war? Felix kann sich nicht erinnern. Er spielt mit fröhlichen Hits gegen die miese Stimmung an und sieht dabei schnell wieder Tamara vor sich. Wie sie da verloren im Steinbruch liegt mit der heraushängenden Zunge und den toten Augen. Wie sie von einem Wildschwein beschnüffelt wird, wie ein Fuchs oder Marder an ihr nagen, wie die Krähen in ihren Augen picken. Er hätte sie nicht einfach ablegen dürfen. Er hätte sie überhaupt nicht anrühren dürfen auf dem Parkplatz. Wieso hat er gestern nicht einfach die Polizei gerufen? Weil er in Panik war, genau deshalb. Und jetzt, wie soll er jetzt aus der Sache herauskommen?
    »Mach Feierabend, Felix, das wird nichts mehr.« Erika Maul drückt ihm hastig ein paar Scheine in die Hand und drängt ihn zum Aufbruch. Felix weiß, warum. Sie will den Gemeindesaal leer geräumt haben, bevor sich die aufgeladene Stimmung in Schlägereien Bahn bricht und die Einrichtung zu Bruch geht. Der Robin und seine Kumpels sind welche, die sich gern so austoben.
    Felix verstaut seine Anlage im Wagen, dann fährt er langsam durch das nachtdunkle Berndorf. Am Schellemännche unter der neuen Kirche vorbei, dann an dem in Kalkstein gemeißelten Närrepötz. Er muss ein bisschen suchen, bis er Tamaras Elternhaus wiederfindet. Immer noch niedrig und klein, aber frisch verputzt mit neuen Fenstern. Hinter einem Fenster brennt Licht, Felix sieht Tamaras Ehemann im Zimmer auf und ab gehen. Ist er nervös? Plagt ihn das schlechte Gewissen? Hat er seine Frau ermordet? Felix kann nicht sagen, ob der Mann nach Tamaras Abgang in den
Milan-Stuben
an seinem Platz sitzen geblieben oder ebenfalls gegangen ist. Das hat er wegen der Tanzenden nicht sehen können. Bestimmt hat Tamara ihren Mann genauso provoziert, wie sie ihn, Felix, provoziert hat. Vielleicht noch viel schlimmer. Auf Dauer lässt sich keiner solche Demütigungen gefallen, da brennen bei jedem die Sicherungen durch. Das ist die einzige Erklärung für den Mord, die Felix findet. Erst wollte der Mann sie vielleicht nur zum Schweigen bringen und dann konnte er seine Finger nicht mehr von ihrem Hals lösen, hat immer weiter zugedrückt, bis … Und danach hat er sie ihm ans Auto gelehnt. Aber was der kann, das kann ich auch, denkt Felix.
    Felix wendet den Wagen und fährt zum alten Steinbruch. Er rumpelt an den knorrigen alten Eichen vorbei, die im Scheinwerferlicht drohende Schatten werfen. Noch ein kleines Stück, dann hat er den Steinbruch erreicht. Er parkt wieder unter dem gelben Bäckereischild. Frisch ist es, nah am ersten Frost, der in der Eifel früher kommt als anderswo. Ein blasser Vollmond taucht den Steinbruch in kaltes, milchiges Licht und hilft Felix, das Gebüsch wiederzufinden, in dem er Tamara gestern abgelegt hat. Er scharrt die Blätter zur Seite und ist erleichtert, den Leichnam unversehrt vorzufinden.
    »Was machst du denn hier?«
    Wie aus dem Nichts aufgetaucht, puscht Jennys Erscheinen Felix’ Adrenalin

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