Kramp, Ralf (Hrsg)
Reporterin und wandte sich wieder Melanie Braun zu, die sich in ihrem Stuhl räkelte, während ein blond gelockter Schauspieler, den man am Set häufig in ihrer Nähe sah, ihren Nacken massierte.
»Schauen Sie«, sagte Melanie, »es war das Traumprojekt meines Mannes. Und ich hatte das Gefühl, ich sei es ihm schuldig.«
Mit ihrer spitz zulaufenden Sonnenbrille sah sie aus wie ein gefährliches Insekt, dachte die Reporterin.
»Schuldig«, fuhr Melanie fort, »dafür zu sorgen, dass der Film trotz seines tragischen Todes doch noch zustande kommt. Zumal ich es mir jetzt finanziell leisten kann. Die Regiearbeit macht mir sehr viel Freude, und ich habe ja einen fähigen Assistenten, der alles umsetzt, was ich ihm auftrage. Er macht seine Sache recht gut, finden Sie nicht?« Sie lachte etwas zu laut und blickte auf Bünten.
Dieser zeigte ein gequältes Lächeln, und die Reporterin hatte den Eindruck, er stoße derbe Verwünschungen hervor.
Melanie Braun winkte lässig mit der rechten Hand in seine Richtung, und er brachte ihr mit versteinerter Miene einen Becher Kaffee. Mein Gott, dachte die Reporterin, sie behandelt ihn wie ihren Knecht. Warum lässt er sich das bloß gefallen?
Bauer sucht Traumfrau
VON C ARSTEN S EBASTIAN H ENN
Ulf Porzel spuckte in die Handinnenflächen und zog seinen Seitenscheitel nach. Dann polierte er noch einmal das Logo der
Ziegenkäserei Vulkanhof
, das an der Wand hinter den Bistrotischen angebracht war. Sah jetzt picobello aus! Gleich würde das Fernsehteam von
Bauer sucht Traumfrau
kommen – und er seine Traumfrau kennen lernen, die mit ihm drei stramme Söhne in die Welt setzen und alt werden würde. Hoffentlich hatte er auch an alles gedacht. Vor allem an diesen verflixten Bock Diego. Ulf musste nur zwei Töne pfeifen, da rastete das Vieh schon aus. Der Bock hasste Musik, nur Meckern, das liebte er. Und jetzt im August, wo die Ziegendamen in ihre heiße Phase kamen, da hatte Diego sowieso nur rammeln im Kopf. Ulf ging zur holzumzäunten Box, in der Diego mit den anderen Böcken stand. Er war fraglos ein imposanter Ziegenbock. Seine Hörner lang, dick und perfekt geschwungen, sein Bart lang und seine prächtigen Hoden hingen tief, das war gut für die kühlende Belüftung und sorgte für viele gesunde Spermien. So einen wie Diego ließ man zeugen, bis er blau anlief. Als er Ulf erkannte, rammte er seine Hörner gegen die Holzlatten vor ihm.
»Friss dein Heu, du Bestie!«, rief Ulf ihm zu und warf eine ganze Handvoll Schlaftabletten hinein. Doch Diego dachte gar nicht daran zu fressen. Dieser Bock machte ihn wahnsinnig!
Dann hörte Ulf Motorengeräusche. Das mussten sie sein! Als er aus dem Stall trat, sah er sie wie eine Engelserscheinung aus dem ersten Wagen steigen: Moderatorin Tinka Brause. Von TRL in ein Dirndl gesteckt. Völlig egal, dass Gillenfeld in der Eifel lag, und dass man hier ums Verrecken keine Frau dazu kriegte, ein Dirndl anzuziehen. Auch wegen Jodeln brauchte man gar nicht erst fragen. Ulf hatte es schon mal versucht.
Er setzte sein breites Bauernlächeln auf und kam ihr mit schweren Schritten in seinen Gummistiefeln entgegen. Extra neu gekauft. Genau wie den Blaumann. So sahen Bauern doch aus, oder? Darunter ein Holzfällerhemd. Und rasiert hatte er sich seit drei Tagen nicht. Alles für den Ziegenbauern-Look. Er hatte sich sogar im Stall gewälzt, damit er richtig stank. Leider hatte er vergessen, dass die Viecher auch ins Stroh koteten.
Zumindest waren die Flecken authentisch.
Nichts an ihm sah mehr nach einem Bankangestellten aus.
»Hallo, Herr Porzel«, Tinka Brause streckte ihm ihre perfekt manikürte Hand entgegen. »Und? Sind Sie schon aufgeregt?«
Warum sah ihn Tinka Brause so komisch an? Tropfte ihm etwa schon der Sabber aus den Mundwinkeln? Egal, Ziegenbauern durften sabbern. »Wo ist sie denn?«
»Na, einen Augenblick Geduld müssen Sie schon noch haben!« Sie lachte ihr perfektes Fernsehlachen. »Ihre zukünftige Bäuerin ist zurzeit noch mit dem Rest des Teams im Eifeler
Scheunencafé
, da bereitet sie eine Überraschung für Sie vor.«
Ulf konnte sich schon denken, was die Überraschung war. Und das war er selbst schuld. Dieser blöde Vorstellfilm. Da sollte er sagen, womit man ihn überraschen könne. Und ihm war nix Besseres als Haselnusstorte eingefallen – wegen Heino in Bad Münstereifel. Dabei hasste er die Dreckstorte, aber er sollte ja irgendwas Süßes nennen. Und
Snickers
hatten sie nicht gelten lassen.
»Kommen Sie«, riss ihn
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