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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 3
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Feriengäste, dachte Rabe. Wahrscheinlich würde dieses Buch nun über Wochen in einem Wohnwagen mit gelbem Kennzeichen hinten im Wirfttal neben einem Porta Potti oder auf dem Campingtisch sein ausgeliehenes Dasein fristen, Tag und Nacht dazu verdammt, von ungewaschenen Toilettenhänden oder fettigen Grillfingern nach einem Ausflugsziel durchforstet zu werden. Um dann mit viel Glück wieder in der Ortsbücherei zu landen. Seiner Bücherei. Wo er, Bibliothekar Rabe, sich dann wieder mal dazu genötigt sehen würde, das ramponierte Werk auszusortieren. Schönen Dank. Hätte er an diesem frühlingshaften Samstagabend nicht noch eine Verabredung, wo er das Ganze ansprechen könnte, er hätte sich einmal mehr über dieses Thema bis zur Weißglut aufgeregt.
    Gemeinderatsmitglied Pete Knox erwartete seinen alten Freund Rabe an der Sandsteinmauer des angestrahlten »Ritterdenkmals«. So nannten die beiden seit Kindheitstagen diese Gedenkstätte mit den drei Kreuzen auf dem riesigen Torbogen, die man auf einem Hügel oberhalb von Stadtkyll in Gedenken an die Gefallenen des ersten Weltkriegs errichtet hatte. Knox und Rabe waren hier ganz in der Nähe aufgewachsen: Rabe im nahe gelegenen Dörfchen Kerschenbach, Knox’ Elternhaus befand sich hinter der Kirche, die im Tal unter ihnen lag, nahe den Schrebergärten am Fluss. Sie blickten hinab auf den vor sich hindämmernden Ort: in melancholischer Ruhe schlummernde Häuser an mäßig befahrenen Straßen, die sich ehrfürchtig zwischen den stolzen Waldhügeln durchschlängelten. Flammendes Himmelrot versuchte sich im abendlichen Kampf gegen eifeltypisches Schwergrün und entschied sich schließlich wie immer für den Rückzug, wohl wissend, dass die Sache in ein paar Stunden bei Sonnenaufgang wieder ganz anders ausgehen würde. Das Dunkel der Nacht legte sich langsam, aber unnachgiebig über die faszinierende Szenerie. Wie wunderschön die Eifel doch war. Und so verlässlich wandlerisch. Sonnigem Wetter schlägt hier von jetzt auf gleich das letzte Stündlein und andersherum lösen sich die dicksten Nebelfelder und Wolkendecken aus dem Nichts in Dunst auf, so als wären sie niemals aufgezogen. Für Knox und Rabe war die Eifel eine Region mit magischer Anziehungskraft, ein Zauberkasten der Natur. So wie jetzt hatten sie schon oft auf der Mauer der Gedenkstätte gesessen und gebannt in den Sonnenuntergang geschaut.
    »Sieh dir das an, alter Junge. Für so etwas nehmen die auf Mallorca den Touristen Geld ab«, sagte Knox ohne den Kopf von dem Naturschauspiel abzuwenden.
    »Klar, verstehe. Und am besten machen wir hier auch direkt eine Eifelfeuer-Bar auf, spielen Loungemusik und bieten noch andere heimische Spezialitäten zum Verzehr und Mitnehmen an«, grunzte Rabe abwertend.
    Knox fuhr herum. »Was sagst du da? Mann, Rabe! Rabe, Rabe, Rabe, du bist genial, das ist die Idee! Das läuft doch wie warme Semmeln und geschnitten Brot zusammen. Das werde ich direkt im Rat zur Sprache bringen und abklopfen, das wird großartig!«
    Nils Rabe zuckte zusammen. Hatten die bevorstehenden Gemeinderatswahlen seinem politisch ambitionierten Freund die Sinne vernebelt?
    »Junge, das war ein Witz. Schalte mal einen Gang zurück«, versuchte Rabe Knox auf den Boden der Eifel zurückzuholen.
    »Wieso Gang zurück? Wir müssen zusehen, wo wir bleiben. Andere Urlaubsregionen schlafen nicht und bieten ihren Gästen so viel wie möglich. Da ist jede liegen gelassene Chance grob fahrlässig«, entgegnete Knox. »Aber da waren wir ja schon immer unterschiedlicher Meinung.«
    Rabe blickte auf seine Schuhspitzen. Ein Hirschkäfer versuchte sich vor seinen Outdoor-Schuhen ins Unterholz zu stehlen. Aber Rabe war schneller und griff zu.
    »Ja, waren und sind wir. Und du weißt auch warum.« Rabe hielt Knox den Hirschkäfer hin, der sich redlich bemühte, dieser Gefahrensituation zu entkommen. »Was hier kreucht und fleucht, steht zum Teil auf der Roten Liste bedrohter Tierarten, kurz vor der Kategorie »Ausgestorben oder verschollen«. Und du willst hier zum Lambada bitten? Toller Plan. Vielleicht tanzen die Tiere und Pflanzen ja mit. Und was ist der nächste Schritt? Ein Atommüllendlager in Schönfeld? Ist wahrscheinlich auch sehr rentabel.« Rabe hatte die Faxen dicke. Eigentlich wollte er sich mit Knox über das Ende des Sonderausleihscheins für Feriengäste unterhalten. Er setzte den Hirschkäfer ab, der sich unverzüglich auf heißen Sohlen ins hohe Gras verzog. »Sieh dich um Knox, du hast es eben selbst

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