Kramp, Ralf (Hrsg)
und gingen zurück in die Werkstatt. »Alles in Ordnung«, verkündeten sie wahrheitsgemäß.
Christine sah auf die Uhr. »Schon zwölf. Der Kurs ist eigentlich zu Ende«, sagte sie. Sofia blickte hilflos von ihrer Scheibe auf. »Was soll ich denn machen, wenn Klaus nicht auftaucht?«
Christine straffte sich und sah Rainer an. »Ich denke, wir rufen jetzt doch mal die Polizei, was meinst du?« Rainer nickte und nahm den Hörer.
»Wie fahren dann mal zurück nach Drees«, sagte Norbert. »Wenn wir irgendwas zu der Suche beitragen können, meldet euch. Wir sind noch zwei Tage da.«
»Gut.« Christine nickte dankbar.
Sofia wählte wieder die Nummer ihres Mannes.
Freizeichen.
Während sie auf die Polizei aus Daun warteten, setzten sie sich in den Innenhof. Christine und Rainer servierten Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Gertrud Theisen und Matthias Heidinger griffen herzhaft zu, Sofia starrte nur gedankenverloren vor sich hin. Müllers waren bereits ins Hotel zurückgefahren.
»Können wir jemanden für dich anrufen? Deine Familie?«, fragte Christine und legte Sofia eine Hand auf den Arm. Die schüttelte nur den Kopf. »Ich habe keine Familie. Ich bin bei Pflegeeltern mit vielen fremden Kindern aufgewachsen. Klaus ist meine ganze Familie.«
Ach herrje, dachte Rainer. Keine Familie ist immer noch besser als so eine.
Zwei uniformierte Polizisten betraten den Hof. Sofia erklärte die Situation.
»Sie haben Ihren Mann also gestern Abend gegen elf zum letzten Mal gesehen, als Sie sich schlafen legten?«, hakte der eine nach. Sofia nickte. »Und heute Morgen war er verschwunden. Kommt das öfter vor, dass er sich nachts auf Tour begibt?«
»Nein, eigentlich nicht. Er hatte allerdings ziemlich viel getrunken. Und dann verliert er schon mal die Kontrolle.«
Der Polizist nickte verständnisvoll. Ein Säufer, der irgendwo im Wald seinen Rausch ausschläft, dachte er. Im Laufe des Tages würde er schon wieder auftauchen.
»Wir werden erst einmal abwarten, ob er in den nächsten Stunden wieder ins Hotel zurückkehrt. Wie lange sind Sie noch hier?«
»Eigentlich wollten wir jetzt nach Hause fahren«, antwortete Sofia. »Wir wohnen in Köln.«
»Tun Sie das ruhig«, sagte der Polizist. »Köln ist ja nicht am anderen Ende der Welt. Wenn Ihr Mann wieder auftaucht, setzen wir ihn in einen Zug.«
Sofia verabschiedete sich und nahm die tröstenden Worte der Serockas mit auf den Heimweg.
Nach wenigen Kilometern bog sie auf den Parkplatz »Am Brünnchen« ein. Norbert und Werner, die tatsächlich Martin und Florian hießen, erwarteten sie schon. Sofia schloss die beiden fest in ihre Arme. »Danke, Jungs. Das werde ich euch nie vergessen«, sagte sie und gab beiden einen Kuss auf die Wange.
»Das war doch selbstverständlich, kleine Schwester«, sagte Martin. »Der Ton, in dem der mit dir umgesprungen ist.«
Und Florian fügte hinzu: »Auch wenn wir keine leiblichen Geschwister sind, so sind wir doch eine Familie. Für immer.«
Der Tote im Wasserfall
VON G ABRIELE K EISER
Das Rotieren von Hubschrauberpropellern durchschnitt die Luft. Ein bedrohlich klingendes Brummen kam immer näher. Ich beugte mich nach vorn und schaute hoch in den strahlend blauen Himmel. »Da ist bestimmt was passiert«, bemerkte ich. »So tief wie der fliegt.«
»Wenn du weiter so in die Luft starrst, dann passiert uns gleich was«, entgegnete Herbert. Früher hatte er stets darauf bestanden, selbst zu fahren. Doch seit er nicht mehr so gut sieht, hat er mir – wenn auch ein wenig widerstrebend - das Steuer unseres Volvos überlassen.
Wir waren auf dem Weg nach Niederehe, um – wie so oft - ein paar ruhige Tage in der Eifel zu verbringen. Gerne behaupten wir, der
Landgasthof Schröder
sei unser Fluchtpunkt, was natürlich scherzhaft gemeint ist.
Früher, als Herbert und ich noch berufstätig waren, kamen wir regelmäßig zum Ausspannen hierher. Nun, da wir etwas in die Jahre gekommen sind, bleiben wir unserer Gewohnheit treu, weil wir uns hier wohlfühlen. Wir kannten noch Markus Schröders Großvater, der vor Jahren den Gasthof an Markus’ Vater vererbt hat. Heute ist der Enkel Herr im Haus, und das macht er genauso gut wie seine Vorfahren.
Hier hat man stets ein nettes Wort für uns auf den Lippen. Markus Schröder lässt uns jedes Mal, wie einst sein Vater, dasselbe Zimmer herrichten, wir nennen es liebevoll die »Königssuite«, weil wir Herbert und Inge König heißen.
Wir sind Großstadtpflanzen mit dörflichen Wurzeln und
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