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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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rieseln.
    »Schlafsand. Damit hat Nikolaus neugierige Eltern und ungezogene Kinder davon abgehalten, ihm bei seinen Unternehmungen in die Quere zu kommen.« Er band den Sack wieder zu, nahm noch einen zweiten aus dem Regal und reichte sie beide Vernon. »Die trägst du. Pass auf, dass du nichts davon ins Gesicht bekommst, sonst wirst du ein ziemlich langes Nickerchen machen.«
    Der Belznickel wirkte noch unleidlicher als sonst.
    »Und hier, seht ihr das?« Krampus zog einen Bund mit sechs Schlüsseln unterschiedlicher Form und Größe von einem Haken. »Skelettschlüssel«, sagte er entzückt. »Mit denen kann man praktisch jedes Schloss öffnen. Sie haben einmal mir gehört und waren ein Geschenk von Loki. Jetzt sind sie wieder mein.« Er betrachtete sie genauer. »Interessant.« Vor allem die kleineren, moderner aussehenden Exemplare interessierten ihn. »Da sind drei neue. Jesse, komm her.«
    Jesse tat wie geheißen.
    »Du bist von nun an mein Schlüsselträger.« Der Herr der Julzeit steckte die Schlüssel in Jesses Manteltasche und tätschelte sie. »Es hat den Anschein, als wäre der gute alte Sankt Nikolaus doch nicht durch den Kamin gekommen …«
    Krampus verstummte, und seine Miene wurde streng. Dann ging er zu einem Tisch, auf dem ein Ziegenschädel mit abgeschnittenen Hörnern lag. Die Hörner und weitere Dinge, wahrscheinlich Knochen, Fell und Hufe des Tiers, waren gesäubert und getrocknet gestapelt. Daneben befand sich ein Gerät mit einer großen Kurbel, das Jesse an eine Wurstpresse erinnerte. Als Krampus an der Kurbel drehte, fielen zermahlene graue Brocken in eine bereitstehende Schüssel. Krampus nahm etwas von dem Mehl zwischen die Finger und hielt es sich an die Nase.
    »Das ist finstere Magie«, knurrte er mit ernster Miene. »Dies sind die Knochen eines Julbocks. Nur wenige sind noch übrig, und nun ist der Bestand um einen weiteren verringert, der für Sankt Nikolaus nicht mehr war als eine Zutat für seine Zaubertränke. Die Julböcke waren Tiere der Götter und flogen aus eigener Zauberkraft. Er hat sie abgeschlachtet, um sich diese Magie anzueignen. Vermutlich hatte er daher diese außergewöhnlichen fliegenden Rentiere, mit denen er so gerne angab.«
    Der Herr der Julzeit griff nach einer großen Flasche und schleuderte sie quer durch den Raum in ein Regal mit Gläsern, woraufhin alle zusammenzuckten. »Es genügt dir nicht, mir meine Traditionen zu stehlen!«, schrie er. »Sie für deine eigenen selbstsüchtigen Zwecke abzuändern. Jetzt musst du aus lauter Selbstherrlichkeit auch noch die Lebenskraft der Julzeit verdrehen und ihre Seele morden!« Seine Stimme wurde leiser, bis sie kaum mehr als ein Flüstern war. »So wenig Magie ist dieser Welt geblieben … so wenig. Warum muss dein Ehrgeiz einen derart hohen Preis fordern?«
    Er nahm eine weitere Flasche zur Hand und schleuderte sie der ersten hinterher, und dann noch eine und noch eine. »Blut, Knochen und Tod … das ist die Wahrheit hinter dem Weihnachtszauber von Sankt Nikolaus!«
    Die Gläser zerschellten am Boden, ihr Inhalt verteilte und vermischte sich, brodelte und warf Blasen. Flammen loderten auf und breiteten sich aus, giftige Gerüche und bunte Dämpfe stiegen zum Gebälk auf.
    »Ich habe genug von seiner Verdorbenheit … die Welt hat ein für alle Mal genug davon!«, rief Krampus und führte sie aus dem Raum. An den langen Spielzeugregalen vorbei ging es wieder in die Nacht hinaus. »Noch ist nicht alles verloren. Uns bleibt immer noch Zeit, um den großen Schaden, den er angerichtet hat, wiedergutzumachen. Zeit, damit ich das Julfest zurückbringen, seine Magie verbreiten und Mutter Erde heilen kann!« Er grinste mit gebleckten Zähnen und brennendem Blick. »Zeit, um der Menschheit dabei zu helfen, ihren alten Geist wiederzufinden und sich auf ihre Ursprünge zu besinnen. Einmal mehr soll die Julzeit regieren, und ich, ihr Herr, werde ihnen den Weg weisen.«
    Sie durchquerten den Garten, betraten den Hof und erreichten die beiden angebundenen Julböcke. Die Stallungen brannten inzwischen lichterloh. Riesige Flammenzungen leckten am Himmel und tauchten die gesamte Anlage in orangefarbenen Schein. Reglos standen sie da und sahen zu, wie um sie herum die Funken wirbelten und tanzten.
    »Bestie! In der Hölle sollst du schmoren!«, ertönte ein durchdringender Schrei hinter ihnen.
    Erschrocken fuhr Jesse herum. Auch die anderen drehten sich um und sahen sechs Frauen, die in dem breiten Torbogen zum Garten standen.

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