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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Fünf von ihnen waren in wallende weiße Gewänder gekleidet, alles junge, dralle Frauen mit langen Haaren und kurvenreicher Figur. Beim Anblick der Flammen liefen ihnen Tränen über die Gesichter. Nur die Sechste weinte nicht. Sie stand ganz vorne, gertenschlank, mit unbeteiligter Miene und schmalen Lippen. Ihr Alter ließ sich unmöglich schätzen, aber an ihren Augen war deutlich zu erkennen, dass sie älter war, viel älter. Sie trug ein Kleid, das bis zum Boden reichte und von verschnörkelten goldenen Schlangenmustern gesäumt war, das wogende weiße Haar reichte ihr bis über die Hüften und bauschte sich um ihre Gestalt.
    »Wer mag das sein?«, fragte Vernon.
    Isabel zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht ist sie seine Frau?«, mutmaßte Jesse. »Du weißt schon, Frau Nikolaus.«
    Falls es stimmte, dann ähnelte sie kein bisschen der guten großmütterlichen Seele, als die er sie sich immer vorgestellt hatte. Diese Frau sah aus, als wollte sie einem die Leber aus dem Leib schneiden und sie roh verspeisen.
    »Und die hier?«, fragte Vernon und deutete auf die Mädchen. »Ob das wohl seine Töchter sind?«
    »Töchter«, keckerte Krampus. »Das sind alles seine Frauen. Baldr war ein Mann der großen Gelüste.«
    »Gleich mehrere?«, staunte Vernon.
    Die drallen Frauen zeigten auf Krampus und stimmten ein Klagegeheul an, das sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Kreischen steigerte. Sie schrien wie verzückte Sektenangehörige. Allerdings vermutete Jesse, dass es sich nicht um Gebete, sondern um Verwünschungen handelte.
    Krampus nahm die Peitsche aus dem Schlitten und fletschte grinsend die Zähne. »Es ist wirklich sehr lange her, seit ich zum letzten Mal das Vergnügen hatte, ein paar ungezogenen Gören den Hintern zu versohlen.« Er ließ die Peitsche knallen und trat einen Schritt auf die Frauen zu.
    Das Geschrei verwandelte sich in hysterisches Schluchzen, und die jungen Frauen wichen zurück. Die Alte dagegen zuckte nicht einmal mit der Wimper. Krampus kam noch einen Schritt näher und ließ die Peitsche erneut knallen. Noch immer blieb die weißhaarige Frau standhaft. Anklagend hob sie den Finger.
    »Bestie, du wagst es, diesen Grund und Boden mit deinem Schmutz zu besudeln? Mord in dieses Haus zu tragen? Sankt Nikolaus ist der geliebte Sohn der Götter. Bekannt für seine Milde und Selbstlosigkeit, ein edler Ritter der Wohltätigkeit, ein gefeierter Statthalter der …«
    »Papperlapapp.«
    »Es ist die Wahrheit!«, schrie sie. »Du hast sein Lagerhaus selbst gesehen. Dort stapeln sich nicht nur Spielzeuge, sondern auch Schuhe und Kleider, das Nötigste für jene, denen es daran mangelt. Jeden Tag mühte er sich bis tief in die Nacht ab, um Weihnachten nicht bloß zu einem Fest, sondern zu einer magischen Zeit der Hoffnung zu machen. Er ist um den ganzen Erdball gereist und hat den Menschen Gaben gebracht, in der Hoffnung, dass sein Vorbild sie dazu anspornt, gut zueinander zu sein, dass seine Güte sich ausbreiten und die Seelen aller erheben möge.«
    Sie schien mit jedem Wort größer zu werden. Jesse begriff, dass sie schwebte und in ihren Augen das Feuer der Wut loderte, als sie auf die Umstehenden herabschaute. Die Schlangenmuster auf ihrem Kleid erwachten zum Leben, begannen zu zischen, ihre Gestalt zu umwirbeln und mit gifttriefenden Fängen nach ihnen zu schnappen. Jesse wich zurück.
    »Sankt Nikolaus verbreitet Hoffnung«, fauchte sie, wobei ihre Stimme wie das Gezischel der Schlangen klang und über den ganzen Hof hallte. Sogar die Luft schien auf einmal zum Leben zu erwachen und wurde eiskalt. »Was bringst du, Dämon? Du suhlst dich im Fleischlichen und Sündigen und forderst Tribute und Opfer in deinem Namen. Tod und Blut, sonst kennst du nichts!«
    Krampus schlug mit der Peitsche zu und traf sie an der Wange. »Es reicht mit deinen Täuschungen!«
    Jesse blinzelte, und mit einem Mal waren die Schlangen nichts weiter als ein Stoffmuster, während die Frau mit beiden Beinen auf dem Boden stand und sich die Hand an die Wange hielt.
    »Ich habe heute Nacht mehr als genug von seiner Mildtätigkeit gesehen«, knurrte Krampus. »In seinem Labor gibt es viel zu viel Blut und Mord. Oder willst du das etwa leugnen?«
    Das Feuer in ihren Augen loderte hell. »Alles hat seinen Preis, wie du schon bald erfahren wirst. Gott wird sich nicht einfach zurücklehnen und erlauben, dass eine solch üble Tat ungesühnt bleibt.«
    Krampus lachte. »Baldr ist tot. Damit ist die Sache erledigt.«
    »Er ist

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