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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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nicht einmal, dass ich und ihr Sohn zusammen gewesen waren. Ich zeigte ihnen den Ring und erzählte ihnen von uns. Ich hatte keine Ahnung, wie sie es aufnehmen würden, aber ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte. Ich habe noch nie zuvor Menschen gesehen, die sich so sehr über den Anblick eines Kindes gefreut haben. Es stand ihnen ins Gesicht geschrieben: Sie taten, als hätte ich ihnen ihren Sohn zurückgebracht. Da wusste ich, dass der kleine Daniel bei ihnen sicher sein würde. Ich sagte ihnen, dass ich etwas aus dem Auto holen müsse. Natürlich hatte ich überhaupt kein Auto. Ich ging die Auffahrt hinunter und dann immer weiter. Ich wusste nicht, wo ich hinwollte, jedenfalls nicht in diesem Moment, ich lief einfach weiter, den ganzen Tag und bis tief in die Nacht, bis ich irgendwann die Hügel erreichte. Was dann geschehen ist, weißt du ja.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Jesse, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bereue, mein Kind verlassen zu haben. Kein einziger Tag.«
    Jesse stieß einen tiefen Seufzer aus, der von Herzen kam. Er war also nicht der Einzige, der litt. Das überraschte ihn nicht sonderlich. Er wünschte, er hätte ihr etwas Tiefsinniges und Aufmunterndes sagen können, etwas, wonach nicht nur sie sich besser fühlen würde, sondern auch er selbst. Aber manchmal schien es so viel Schlechtes auf der Welt zu geben, dass sich kaum noch etwas anderes erkennen ließ. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie, mehr konnte er momentan nicht für sie tun.
    Lacy klebte Freki derweil Schleifen aufs Fell. Der riesige Wolf lag reglos da und schaute sie hilfesuchend an.
    »Vielleicht lässt Krampus uns ja bald gehen«, sagte Jesse wenig überzeugt.
    »Vielleicht.« Isabel ging zu Lacy, nahm sie hoch, wirbelte sie herum und drückte sie an sich.
    Das Mädchen kicherte und erwiderte die Umarmung, woraufhin auch Isabel strahlte.
    Jesse fand, dass sie eine wunderbare Mutter abgab, und er wollte den Gedanken gerade aussprechen, als er draußen eine Bewegung wahrnahm.
    Drei Gestalten stapften durch den leichten Schneefall, und hinter ihnen trottete ein Wolf. Krampus und die beiden verbliebenen Shawnees hatten die Köpfe eingezogen, und Jesse wusste, dass nicht die Kälte der Grund dafür war.

    ***

    Die vier kamen die Stufen hinauf und betraten die Kirche, wobei sie eine Spur aus Wasser und Matsch hinterließen. Krampus ging zu dem Holzofen und ließ sich schwer auf einen der Pappkartons sinken. Freki hinkte herbei und legte sich neben ihn. Der Alte streichelte dem großen Wolf geistesabwesend die Mähne.
    Jesse zögerte. Krampus wirkte erschöpft, niedergeschlagen, traurig. Er wusste, dass dies kein guter Zeitpunkt war, um Dillard noch einmal anzusprechen. Aber wann gab es schon mal einen guten Zeitpunkt? Vielleicht war er Krampus etwas schuldig, vielleicht auch nicht. Jedenfalls musste er nach wie vor einen Weg finden, um mit dem Polizeichef fertig zu werden. Je länger er wartete, desto größer wurde die Gefahr, dass Dillard Linda oder Abigail etwas antat.
    Er schluckte, dann ging er zu Krampus hinüber und setzte sich neben ihn. »Es tut mir leid wegen Makwa. Ich fühle mit dir.«
    Krampus antwortete nicht, er blickte nicht einmal auf, sondern starrte bloß weiter ins Feuer.
    Jesses Mund wurde trocken. Er befeuchtete die Lippen und räusperte sich. »Ich muss los, mich um Dillard kümmern.«
    »Ich weiß.«
    In der Hoffnung, dass Krampus noch etwas sagte, wartete er ab, doch der Herr der Julzeit beobachtete noch immer die Flammen.
    »Ich kann das alleine regeln, weißt du? Du musst mich nur gehen lassen. Selbstverständlich werde ich dir bei deinen Angelegenheiten nicht im Geringsten in die Quere kommen. Ich schwöre sogar, zurückzukommen, sobald die Sache erledigt ist.«
    Der Herr der Julzeit legte die Hände ineinander und stieß einen gedehnten Seufzer aus. »Woran glaubst du, Jesse?«
    »Hä?«
    Forschend blickte Krampus ihm in die Augen. »Woran glaubst du?«
    Jesse zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Du glaubst also an gar nichts?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du musst doch an etwas glauben. An deine Muse … vielleicht an deine Musik?«
    »Nein«, antwortete Jesse verbittert. »Das habe ich aufgegeben.«
    »Gott?«
    »Gott? Vielleicht… Manchmal zumindest. Du weißt schon, wenn ich Angst habe oder mir etwas wirklich wünsche.«
    »Bist du ein religiöser Mensch? Ein Christ?«
    »So weit würde ich nicht gehen. Aber ich bin sicherlich ein gottesfürchtiger

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