Krampus: Roman (German Edition)
schien nickend eine lautlose Unterhaltung mit ihm zu führen. Dann stieß er ein Schnauben aus und griff nach den Birkenruten. »Gehen wir.« Er stampfte zur Tür hinaus in die Nacht.
Die beiden Shawnees wechselten einen besorgten Blick, standen jedoch sofort auf und folgten eilig dem Herrn der Julzeit.
Vernon knallte seine Spielsteine auf das Halmabrett und starrte Jesse wütend an. »Danke! Das war wahrscheinlich der erste angenehme Abend seit … ach, ich weiß nicht … seit hundert Jahren für mich. Anstatt vor dem warmen Feuer zu spielen, darf ich mich also wieder bei Eiseskälte in fremder Leute Häuser schleichen. Menschenskind, kann mich mal jemand kneifen?«
Jesse versetzte Chet einen Tritt. »Wach auf, du Depp. Zeit zum Aufbrechen.«
Chet stöhnte und blickte sich um, als versuchte er, herauszufinden, wo er sich befand. Sobald es ihm wieder einfiel, stieß er ein jämmerliches Stöhnen aus.
»Ein großer, finsterer, hässlicher Kerl wartet draußen auf dich«, sagte Jesse.
Sein Gegenüber sah aus, als wollte er sich am liebsten zusammenrollen und weinen, aber es gelang ihm, sich aufzurappeln und im Zombiegang Richtung Tür zu schlurfen.
Isabel griff nach Lacys Jacke und packte die Kleine hastig ein, wobei sie ihr ein dickes Tuch um den Hals schlang und die Ohrenklappen der Pandamütze unter dem Kinn zusammenband.
Lacy musste das Tuch herunter- und die Mütze nach oben schieben, um etwas sehen zu können. »Fahren wir noch mal Schlitten?«, nuschelte sie durch den Stoff.
»Aber ja doch, Kleines.«
»Du kannst sie nicht mitnehmen«, sagte Vernon.
»Hier lasse ich sie sicher nicht.«
»Isabel«, sagte Jesse behutsam. »Du weißt, dass wir irgendwann ein neues Zuhause für sie finden müssen.«
Isabel sandte einen bohrenden Blick in seine Richtung. »Das werden wir ja sehen.«
Das Mädchen klammerte sich an Isabels Hüfte.
»Mach dir keine Sorgen, meine Süße«, sagte Isabel. »Du kannst bei mir bleiben, wenn du das möchtest.«
Lacy nickte.
Jesse seufzte. »Dir ist selbst klar, dass das nicht gutgehen wird.« Er sah ihrem Gesicht an, dass sie das sehr wohl wusste, aber er merkte auch, wie sehr sie dieses kleine Mädchen im Moment brauchte.
»Wir sollten uns lieber auf den Weg machen«, sagte Vernon und ging zur Tür hinaus.
Die Wölfe folgten ihnen nach draußen bis zur Treppe. Isabel und Lacy sprangen vorne auf, Vernon hinten, nur Jesse hielt beim Einsteigen plötzlich inne.
»Er ist weg.«
»Wer?«, fragte Isabel und folgte seinem angestrengten Blick zu dem kaputten Fallrohr.
»Der Kopf.«
Alle suchten das Rohr ab, doch es war keine Spur mehr von der Trophäe zu sehen.
»Wahrscheinlich hat ihn sich ein Kojote geholt«, sagte Chet.
»Nein«, sagte Jesse. »Nicht, solange die Wölfe hier sind.«
»Dann hat er sich wohl Beine wachsen lassen und ist davonmarschiert«, bemerkte Chet schnaubend.
Jesse fiel noch etwas Beunruhigenderes auf: Im Schnee waren Fußabdrücke, der Größe und Form nach zu urteilen menschliche Fußabdrücke, deren Spur unvermittelt endete. Als ob derjenige, der sie hinterlassen hat, einfach davongeflogen wäre.
Krampus starrte eine ganze Weile auf die Stelle, wo der Kopf gelegen hatte. Seine Miene wurde zunehmend besorgt. »Es hat den Anschein, dass die Zeit … knapp für mich wird«, sagte er halblaut. Dann ließ er die Zügel schnalzen, und einmal mehr sprangen die Julböcke mit einem Satz in Richtung Himmel und zogen sie hinter sich her.
Kapitel 15
Der Weihnachtsdämon
D illard fuhr zu Hause vor und schaltete den Motor aus. Er griff nach dem Plastikbeutel und besah sich die Handschuhe, das Klebeband, das Messer und den kleinen Hammer aus der Werkstatt des Generals, ebenso die Mütze und den Schraubenzieher aus Jesses Wagen und das Büschel Haare, das er aus der Bürste im Handschuhfach gepult hatte – genug Beweismaterial, um Jesse an beiden Tatorten zu belasten. Der Polizeichef wusste, dass die Ermittler nicht weiter nachbohren würden, wenn sie erst einmal alle Puzzleteile beisammenhatten, und er würde es ihnen mehr als leicht machen, sie zu finden.
Einen Moment lang betrachtete er die weiße Weihnachtsbeleuchtung auf der Veranda, deren Licht auf dem Schnee und Eis funkelte, den grünen Adventskranz, der an der roten Haustür hing – eine Weihnachtsszene wie aus dem Bilderbuch. Sie warten da drin, und sie haben keine Ahnung, was auf sie zukommt.
Im Laufe der Jahre hatte er den einen oder anderen Menschen getötet. Manche hatten einen
Weitere Kostenlose Bücher