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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Kätzchen. Gemeinsam sahen sie zu, wie die Belznickel sich Schlafplätze suchten, alle außer Vernon, der ruhelos in der Kirche auf und ab ging und durch die Spalten zwischen den Latten nach draußen spähte, als wartete der Weihnachtsmann dort bereits mit seinem Schwert und einem hungrigen Wolfsrudel.
    Krampus tippte auf die Gitarre. »Du hast Musik im Herzen.«
    Jesse nickte.
    »Ich würde dich gerne ein Lied für mich spielen lassen.«
    Jesse öffnete die Faust und zeigte Krampus die Wunde. »Ich kann nicht … zumindest nicht, bis das hier verheilt ist.« Dann sagte er mehr zu sich selbst: »Sofern ich je wieder spielen kann.«
    »Vielleicht lässt sich da etwas machen.« Krampus öffnete den Sack, schloss die Augen und schob eine Hand hinein. Ein Ausdruck angespannter Konzentration trat auf sein Gesicht, gefolgt von einem Lächeln. »Ah … es ist nicht alles verloren … Ein bisschen was hat die Flammen überlebt.« Krampus holte eine kegelförmige Flasche hervor. Sie war von schwarzer Asche bedeckt, und der lange Hals war mit verkohltem Wachs versiegelt. Er schabte das Wachs ab und zog den verrotteten Korken aus der Flasche, bevor er sie an die Lippen setzte und einen tiefen Schluck nahm. »Ahh!« Mit dem Unterarm wischte er sich über den Mund. »Umso süßer nach der langen Wartezeit. Streck die Hand aus.«
    Jesse sah ihn unsicher an.
    »Keine Angst, das ist nicht irgendein Met, sondern welcher aus Odins persönlichen Vorräten. Das hier«, sagte Krampus ehrfürchtig und hielt die Flasche empor, »stammt aus den Weinkellern Walhallas. Es kommt aus den Eutern Heidruns, die einst vom Laub des Baumes Laeraor speiste. Es wird deiner Wunde guttun. Jetzt forme mit der Hand eine Schale.«
    Er streckte die Hand aus. Krampus kippte die Flasche, und Jesse rechnete damit, dass der Alkohol in der Wunde brannte. Eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ergoss sich in seine Handfläche. Sie sprudelte. Jesse verspürte Wärme und dann ein angenehmes, kitzelndes Gefühl, als die Flüssigkeit langsam in seine Haut einsickerte. Er bewegte die Finger. Tatsächlich tat seine Hand nun weniger weh.
    Krampus hielt ihm die Flasche hin. »Hier, trink einen Schluck für Herz und Seele.«
    Jesse nahm die Flasche entgegen, hielt sie sich an die Nase und schnupperte. Der Inhalt roch nach dem süßesten Frühlingstag.
    »Ich reiche dir den Met der Götter, und du riechst daran?« Krampus stieß ein Schnauben aus. »Trink, du Narr.«
    Zögerlich nippte Jesse daran. Es fühlte sich an, als gösse ihm jemand pure Lebensfreude in die Kehle. Die Wärme breitete sich in seinem Bauch aus, nicht wie das Brennen von Whiskey, sondern wie wenn man verliebt ist. Er trank einen weiteren Schluck, diesmal einen großen, und wollte schon einen dritten nehmen, als ihm Krampus die Flasche aus der Hand riss.
    »Vorsichtig«, sagte er. »Der Met ist nicht für Sterbliche gedacht. Zu viel davon, und dir wachsen womöglich Hörner.« Er klopfte sich mit den Fingerknöcheln an die eigenen gebrochenen Hörner, blinzelte und nahm einen tiefen Schluck.
    Jesse legte den Kopf in den Nacken. Die Welt um ihn herum wurde weich, und er hatte das Gefühl, zu schweben, davonzutreiben und all seine Sorgen und Ängste hinter sich zu lassen.
    »Wovon träumst du?«, fragte Krampus.
    »Träumen?«
    »Was ist deine Leidenschaft? Welche Träume geleiten dich des Nachts in den Schlaf?«
    Jesse überlegte ein Weilchen. »Dass ich meine Songs spiele. Das sind meine besten Träume. Die Musik und ich, wir werden eins, und die Melodie ist so klar … die Leute können nicht genug von mir kriegen.« Er lächelte. »Sie halten ihre Feuerzeuge und Handys hoch und wiegen sich im Rhythmus. Ich gebe die ganze Nacht lang Zugaben.«
    »Das erwartest du also vom Leben? Deine Musik zu spielen?«
    Jesse überlegte kurz und nickte. »Das würde genügen. Nur dann spüre ich eine wirkliche Verbindung … zu mir selbst, zu den Menschen. Wenn die Musik gut ist … dann ist das, als würde ich Gefühle aus der Tiefe meines Herzens ans Licht bringen, die glücklichsten und die traurigsten, um sie mit anderen zu teilen. Es ist weniger wie Gitarrespielen, sondern eher, als ob ich einen Zauberbann webe. Es ist mir auch egal, ob nur ein paar Säufer zuhören. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass man jemanden auf die Art anrühren kann.«
    Krampus nickte. »Die Träume … sie sind deine Seele. Du musst sie ausleben.«
    »Ja, aber es sind bloß Träume, weißt du. Das Problem dabei ist,

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