Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
Vom Netzwerk:
ging in Richtung Geschäft. Isabel wartete in den Schatten. Jesse hielt inne und drehte sich zu ihr um. »Ach ja … du musst wohl draußen bleiben?«
    Sie nickte gedankenverloren, den Blick noch immer auf die Regale voll billigem Tand gerichtet.
    Er musterte sie einen Moment lang. »Ich wette, es ist ein Weilchen her, seit du zum letzten Mal in einem Laden warst.«
    Erneut nickte sie.
    »Na schön, ich muss zahlen, bevor ich den Kanister auffüllen kann. Dauert eine Sekunde. Bitte lass mich nicht sitzen und renn weg.« Er zwinkerte ihr zu und ging davon. »Oh«, rief er über die Schulter zurück, »und nimm dich vor Holzwegen in Acht. Hier in der Gegend hat sich ein Mädchen erst vor zwei Wochen den Fuß auf einem gebrochen.«
    Isabel stemmte die Hände in die Hüften und sah ihm nach.
    Etwa eine Minute nachdem Jesse den Supermarkt betreten hatte, kam ein Auto über die Hauptstraße und fuhr auf den Parkplatz. Sofort zog Isabel sich in die Schatten zurück. Zwei Teenagerinnen und ein älterer Junge stiegen aus und lachten über irgendeinen Witz. Eines der Mädchen sprang dem Jungen auf den Rücken und ritt huckepack in den Laden. Alle drei johlten und führten sich auf, als wäre das Leben ein einziger Vergnügungspark. So sorglos, dachte Isabel und versuchte, den Neid, der an ihr nagte, nicht zu beachten. »Im Leben läuft es nicht immer so, wie man es gerne hätte«, murmelte sie halblaut. »So ist das eben.«
    Isabel beobachtete, wie die drei im Supermarkt herumalberten. Die beiden Mädchen hatten langes, wogendes Haar, das auf- und abwippte und im Licht der Bierreklamen seidig glänzte. Da lässt ein Mann sicher gerne die Hand hindurchgleiten, dachte Isabel und berührte ihren kurz geschnittenen Haarschopf; er fühlte sich fettig und verkrustet an. Seit dem letzten Herbst war sie nicht mehr dazu gekommen, sich zu waschen, denn die Bäche waren zu dieser Jahreszeit zu kalt. Die Mädchen waren geschminkt, trugen Lippenstift, Eyeliner und Ohrringe. All die Dinge, die man als Mädchen trägt, um sich hübsch zu machen. Isabel fragte sich, ob es Make-up gab, mit dem sich die Flecken auf ihrem Gesicht überdecken ließen. Vielleicht ein bisschen Lippenstift? Dann sähe ich hoffentlich etwas mehr wie eine junge Frau und etwas weniger wie ein Höhlenmonster aus.
    Da kam Jesse wieder heraus. In der einen Hand hielt er den Benzinkanister, in der anderen eine volle Einkaufstüte. Er nickte ihr zu, ging an die Zapfsäule und befüllte den Kanister. Wenig später traten die Jugendlichen aus dem Supermarkt. Der Junge schüttelte seine Getränkedose, machte sie auf und spritzte die Mädchen damit nass. Beide stießen laute Schreie aus, griffen händeweise in den Schnee und bewarfen ihn damit. Er duckte sich weg, rutschte auf dem Eis aus und ließ die Dose fallen. Die drei lachten sich kaputt. Mit einem Mal wollte Isabel, dass sie aufhörten. Sie wollte die drei weder hören noch sehen. Isabel ballte die Hände zu Fäusten. Sie wollte die drei zum Schweigen bringen, ihnen das wunderschöne Haar ausreißen, die hübschen Gesichter zerkratzen und ihnen zeigen, wie es war, alles zu verlieren.
    Eines der Mädchen half dem Jungen auf die Beine. Er legte ihr die Hände um die Taille, zog sie an sich, und sie umarmten und küssten sich – lange und innig, wie es nur junge Liebende tun. Isabel legte die Finger an die Lippen und starrte die beiden mit angehaltenem Atem an. Kurz darauf stiegen die drei wieder ein. Isabel wünschte ihnen nichts Böses mehr, sie wollte sie nur begleiten, zu ihnen ins Auto steigen und mit ihnen dorthin fahren, wo junge Leute heutzutage eben hinfuhren, um sich zu amüsieren. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, einfach nur Spaß zu haben, und blickte dem Auto hinterher, bis der Schein der Rücklichter in der Dunkelheit verschwand.
    Jesse näherte sich ihr. »Kannst du die hier nehmen?« Er reichte ihr eine Einkaufstüte und setzte den Kanister zu ihren Füßen ab.
    »Ich komme gleich wieder. Muss nur schnell wo anrufen.«
    »Anrufen? Moment mal. Ich bin mir nicht sicher, ob du das tun solltest.«
    »Ich muss herausfinden, ob es meiner Kleinen gutgeht. Ich rufe nur ihre Großmutter an. Ich kann unmöglich mit einem einzigen Anruf Krampus in Gefahr bringen. Du musst also nichts machen.«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Solange Krampus nicht erkennbar in Gefahr geriet und keines seiner Gebote verletzt wurde, war sie in ihren Handlungen frei.
    »Isabel, das ist keine Bitte. Ich mache das jetzt,

Weitere Kostenlose Bücher