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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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laufen. Nur war das nicht alles.« Sie streckte die Hände aus und schaute auf die scharfkantigen schwarzen Nägel herab, die aus ihren Schuppenfingern hervorragten. »Ich habe nicht immer wie ein Monster ausgesehen, weißt du? Ich hatte mal helle Haut und langes rotes Haar. Und auch das eine oder andere hübsche Kleid.«
    Sie gingen eine ganze Weile nebeneinanderher, ohne dass einer von ihnen etwas sagte.
    »Deshalb bleibst du also bei ihm, weil er dich gerettet hat?«
    Sie blickte in den Nachthimmel und ließ sich Schneeflocken aufs Gesicht fallen. »Nein«, sagte sie, in dem Wissen, dass sie sich auf die Suche nach ihrem Sohn gemacht hätte, wenn sie gekonnt hätte. Sie wusste, dass ihr Junge, der inzwischen Mitte vierzig sein musste, sie nicht erkennen würde und dass er sie vermutlich auch nicht kennenlernen wollte, nachdem sie ihn verlassen hatte. Dabei hätte sie wirklich gerne gesehen, was aus ihm geworden war. Ob er die Augen seines Vaters hatte. »Ich würde ihn sofort verlassen, wenn ich könnte.«
    »Was hält dich davon ab?«
    »Krampus hat uns verboten, in die Stadt zu gehen. Er hat uns verboten, uns in die Nähe anderer Menschen zu begeben, sofern es sich vermeiden lässt. Er will nicht, dass uns jemand sieht. Zumindest wollte er das bisher nicht. Du weißt schon, als er noch angekettet war. Dann und wann hat er einen von uns in die Stadt geschickt, um eine Zeitung zu stehlen oder die Bibliothek nach Büchern über den Weihnachtsmann zu durchforsten, oder um irgendwelche anderen Sachen zu holen, die wir nicht selbst herstellen konnten.«
    »Lass mich raten, es gibt irgendeinen Grund, warum ihr ihm gehorchen müsst? Er hat euch verzaubert? Euch hypnotisiert?«
    Sie nickte. »So in etwa. Sobald er dich verwandelt hat, muss er dir nur einen direkten Befehl geben, damit du ihm unweigerlich gehorchen musst. Es ist, als wärst du eine Marionette. Du denkst nicht mehr, du agierst nur noch.«
    »Dir hat er dann wohl befohlen, in seiner Nähe zu bleiben.«
    »Er hat uns einen Eid ablegen lassen: nicht davonzulaufen, ihn zu beschützen, uns um ihn zu kümmern und dergleichen.«
    »Da bleibt einer jungen Dame nicht mehr viel vom Leben.«
    »Ich versuche, nicht allzu oft darüber nachzudenken.« Da bemerkte sie das Supermarktschild, das einen knappen halben Kilometer vor ihnen im Dunkeln leuchtete.
    »Was ist er?«
    »Krampus?«
    Er grinste. »Wer sonst?«
    Isabel brachte ein Lächeln zustande. »Das weiß ich auch nicht so genau. Die Shawnees halten ihn für einen Waldgott. Die sind derart hin und weg von ihm, dass er sie nicht mal hätte verwandeln müssen. Wahrscheinlich hat er es nur getan, damit sie nicht altern. Makwa hat mir erzählt, dass sein ganzer Stamm Krampus Gaben dargebracht hat, und zwar lange bevor die ersten weißen Siedler hier aufgetaucht sind.«
    »Und Vernon? Der hat sich bestimmt nicht freiwillig gemeldet.«
    Sie lachte. »Er war Landgutachter für die Kohlengesellschaft, irgendwann Anfang des vorigen Jahrhunderts, und ist durch Zufall auf Krampus gestoßen. Danach konnte Krampus ihn natürlich nicht wieder gehen lassen. So hat Vernon seit bald einem Jahrhundert nur noch die sturen Indianer als Gesellschaft. Wenn du ihm auch nur die geringste Gelegenheit dazu gibst, kaut er dir ein Ohr darüber ab, das kann ich dir sagen.«
    Auf dem Weg Richtung Supermarkt umrundeten sie einen Haufen schmutzigen Schnees an einer Seite des Parkplatzes. Im Schatten der Mülltonne blieben sie stehen. Isabel spähte durch das Schaufenster auf die Waren im Innern des kleinen Ladens. Es gab eine kleine Auswahl von Lebensmitteln und Haushaltsbedarf sowie lokale Erzeugnisse und Andenken: Pekannussküchlein, Marmeladen, Würstchen und Trockenfleisch, außerdem Steppdecken, Waschbärmützen, Schlüsselanhänger, Magneten und in China hergestellter Indianerschmuck. Isabel war seit ihrer Schwangerschaft in keinem Geschäft mehr gewesen und stellte fest, dass die bunten Auslagen und Verpackungen eine geradezu hypnotisierende Wirkung auf sie hatten. Ich würde wirklich gerne ein bisschen Zeit dort drin verbringen, dachte sie sich. Mehr als gerne.
    Jesse zog ein Bündel Geldscheine aus der Brusttasche hervor und blätterte sie durch. »Mist, das sind ja alles Hunderter.« Er schnaubte. »Ich hätte nicht gedacht, dass einmal der Tag kommen würde, an dem ich mich über zu viele Hundertdollarscheine beklage. Ah, da haben wir es ja.« Er zog einen Hunderter und zwei Zwanziger aus dem Bündel, steckte den Rest wieder ein und

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