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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Sie sah seinen lodernden Augen an, dass er erwog, sie zu töten. Er hob das Gesicht zu den Dachschindeln und stieß ein Heulen aus. Dann biss er die Zähne zusammen und stand mit geschlossenen Augen da, während seine Brust sich hob und senkte. Nach einer Weile begann er, ruhiger zu atmen. Seine Schultern sackten herab.
    »Isabel … meine kleine Löwin. Dein Herz ist kühn, und deine Worte sind wahr.« Er richtete den Blick auf Jesse. »Du … solltest du es je wieder wagen, mich herauszufordern, dann … töte ich dich.« Seine Worte klangen endgültig. Er atmete gedehnt aus. »Ich werde meinem Eid treu bleiben. Diese Männer werden umkommen, und sie werden eines hässlichen Todes sterben. Aber alles zu seiner Zeit, denn vorerst haben wir Dringlicheres zu erledigen.« Er wandte sich ab, taumelte in Richtung Ofen und starrte erneut auf den samtenen Sack.
    »Fesselt ihn«, sagte Krampus über die Schulter. »Sorgt dafür, dass er nicht wegläuft. Ich kann es nicht riskieren, dass er entkommt. Er ist zu unberechenbar.«
    Makwa riss Jesse herum, drückte ihn grob zu Boden und stieß ihm ein Knie in den Rücken. Er deutete auf mehrere Vorhangstangen, die in einer Ecke lehnten. Wipi sprang auf die Beine, zog sein Messer und schnitt die Bänder von den Stangen.
    Isabel hielt ihn auf. »Gib sie mir.« Sie nahm Wipi die Bänder aus der Hand.
    Er schaute zu Makwa und zuckte mit den Schultern. Isabel ging zu dem Indianer hinüber. »Sei nicht so ein Grobian. Und jetzt runter von ihm.«
    Finster verzog Makwa das Gesicht und sagte etwas in der Shawnee-Sprache, von dem Isabel wusste, dass es nicht gerade schmeichelhaft war. Trotzdem stand er auf.
    »Halt mir deine Handgelenke hin.«
    Widerwillig tat Jesse wie geheißen.
    Isabel fesselte ihm die Handgelenke behutsam, aber fest. Jesse schaute sie nicht an. Stattdessen starrte er die ganze Zeit finster zu Krampus hinüber.
    Der setzte sich wieder neben den Sack. Er nahm einen der Pfeile und betrachtete ihn. »Wo versteckst du dich?«

    ***

    Sankt Nikolaus stand am Hang und schaute zu den Wölfen hinab. Der auffrischende Morgenwind peitschte seinen langen Bart. Sein Atem bildete in der Kälte Wölkchen. Die Wölfin blickte zu ihm auf und dann zu ihrem Gefährten, der reglos auf der Seite lag. Sie stieß ein Winseln aus und berührte ihn mit der Pfote, doch er regte sich nicht. Dann bellte sie zu dem weißbärtigen Mann empor. Dessen Gesicht zuckte, aber er schaute nur weiter zu den beiden hinab.
    Nikolaus suchte den Himmel mit Blicken ab, entdeckte jedoch keine Spur von den Raben, die er seit dem vergangenen Morgen nicht mehr gehört hatte. Er wusste, was das bedeutete. Die Spur war kalt. Ohne die Raben konnte Krampus überall sein, im schlimmsten Fall tausend Meilen weit weg. Er verschwendete hier bloß seine Zeit.
    Von Osten her hörte er Hörnerschall. Er wandte sich um, zog sein eigenes Horn hervor und stieß hinein. Der Laut hallte durchs Tal, ein Laut, der den meisten sterblichen Ohren entgehen würde, ein Laut, der um die halbe Welt trug.
    Wenige Minuten später kam ein Schlitten über den weit entfernten Bergkamm hinweg auf ihn zugeflogen. Er war kleiner als sein Weihnachtsschlitten und wurde von zwei Ziegenböcken gezogen, Tanngrisnir und Tanngnost. Die beiden waren echte Julböcke, die letzten ihrer Art, seine letzten Bande zu einem längst vergangenen Zeitalter.
    »Die Vergangenheit sollte vergangen bleiben«, knurrte er. So viel konnte ich vergessen. Doch jetzt kehrt Krampus zurück und erweckt alte Gespenster wieder zum Leben. Nikolaus schaute in den Himmel. Baldr ist tot, bei allen Göttern, und das muss er auch bleiben. Er hat für seine Missetaten bezahlt, für seinen Hochmut, seine Falschheit, mit seinem Leben, seiner Seele … er hat hundertfach dafür bezahlt. Wann ist es endlich genug? Wann darf ich vergessen?
    Der Schlitten schwebte herab und kam schlitternd auf der unebenen Straße zum Stehen. Zwei Elfen sprangen heraus, beide mit Schwert und Pistole bewaffnet und in Waldläuferkleidung: dicke Jacken, Hosen, Mäntel und Stiefel. Mit ihren scharfen Augen suchten sie die Hügel ab, während sie gemächlich auf Nikolaus zukamen – sie reichten ihm gerade mal bis zum Gürtel. Die Elfen spähten zu den Wölfen hinunter.
    »Ist Freki tot?«, fragte Tahl, der jüngere von beiden.
    »Nein«, antwortete Nikolaus. »Aber ich fürchte, er wird es bald sein.«
    »Können wir etwas tun?«
    »Nicht für Freki. Er ist zu groß, um ihn auf dem Schlitten zu

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