Krank für zwei
gekommen ist. Nur eins: Hat Wolkov irgendeine Andeutung gemacht? Hat er verlauten lassen, was er vorhatte, wenn er gekündigt wird?«
Ich versuchte mich an das Gespräch zu erinnern. Dann schüttelte ich den Kopf. Ich war mir sicher. Wolkov hatte nichts dergleichen angedeutet.
»Nein, er hat nichts gesagt. Er war viel zu perplex.«
»Dasselbe hat Dr. Lübke auch ausgesagt«, Marlene Oberstes Stimme klang ein klein wenig resignativ. »Trotzdem wollte ich es bei Ihnen noch mal versuchen.«
»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann.«
»Wir kriegen ihn«, verkündete die Hauptkommissarin selbstsicher. »Wir haben alles dichtgemacht. Sein Foto ist an alle Polizeistationen in der Bundesrepublik gegangen. Die Nachbarländer, Grenzübergänge und Flughäfen sind informiert. Früher oder später kriegen wir ihn, ganz klar.«
»Aber Sie hätten ihn lieber früher als später, nicht wahr?« Ich sah Marlene Oberste in die Augen.
»Sie haben es erkannt, Herr Jakobs!« Dann verließ die Hauptkommissarin das Zimmer.
Als sie draußen war, öffnete ich die Schublade meines Nachtschränkchens. Ganz obenauf lag der Tesastreifen mit den verklebten schwarzen Haaren. War es Unterschlagung von Beweismaterial, was ich gerade betrieben hatte? Nein, ich war mir sicher. Die Kripo war auf den Fersen des russischen Assistenzarztes. An schwarzen Locken war sie kein bißchen interessiert.
Redete ich mir jedenfalls ein.
32
Alexa kam sich vor wie ein Pfannkuchen. Wie ein gefüllter Pfannkuchen. Hingebungsvoll lag sie auf ihrer Isomatte und ließ sich von Henry eine Übung erklären. Es war irgendwie so erniedrigend. Bei Henrys muskulösem und sehnigem Körper wirkte alles wie eine choreographisch durchgestylte Tanznummer. Bei ihr jedoch konnte bestenfalls davon die Rede sein, daß ein Pfannkuchen in der Pfanne mühsam gewendet werden sollte.
»Ich glaube, das reicht für heute.« Henry klatschte elanvoll in die Hände. »Bis zum nächsten Mal die Damen.« Alexa sah Henry dankbar an. Der fing ihren Blick auf und lächelte. »Nicht verzweifeln. Es dauert nicht mehr lange. Und dann starten wir mit Ihrem Körper ein Aufbautraining.«
Die anderen Schwangeren trabten verschwitzt in die Umkleidekabine. Bei Alexa dauerte es etwas länger, bis sie sich hochgerappelt hatte.
»Ich glaube selber, daß die Geburt bald ansteht«, erklärte sie, als sie endlich in der Senkrechten war. »Ich hoffe nur, daß diese blöde Mordsache dann endlich vorbei ist. Eben stand schon wieder ein Polizeiauto vorm Eingang.«
»Nun, diese Geschichte hat sich wohl keiner gewünscht.« Henry setzte sich mit kerzengeradem Rücken auf einen herumliegenden Gymnastikball. »Ich habe Dr. Peuler ganz gut gekannt. Es tut mir furchtbar leid um ihn.«
»Sie haben ihn gekannt?«
»Noch besser seine Frau. Sie hatte mal was am Knie und brauchte dringend eine Behandlung. Hier im Krankenhaus wollte sie sich nicht so gern sehen lassen. Daher bin ich zu ihr nach Hause gegangen. Ausnahmsweise, weil sie die Frau vom Chef war.«
»Und – was ist sie für eine Frau?«
»Sie ist sehr charmant – und fröhlich dabei. Wir hatten viel Spaß beim Training. Allerdings hat sie dann die Einheiten abrupt beendet.«
Alexa blickte hoch. »Warum? Gab es Ärger?«
»Keine Ahnung. Offensichtlich hatte ich irgendwas Falsches gesagt. Ich glaube, es ging darum, wo man am liebsten wohnen würde. Mein Traum ist es nämlich, irgendwann ins Süddeutsche zu gehen. Stellen Sie sich vor, in Freiburg zum Beispiel regnet es viel weniger als bei uns. Na ja, auf jeden Fall sagte ich zum Chef: Mensch, Herr Dr. Peuler, wie hat es Sie eigentlich hierher verschlagen? Hätten Sie sich nicht auch etwas anderes vorstellen können?«
»Und deshalb war er sauer?«
»Ja, schon. Offensichtlich sah es für ihn so aus, als wollte ich ihn als blöd hinstellen. So nach dem Motto: Wenn man als Mediziner hierbleibt, dann hat man nichts Besseres geschafft.«
»Hat er denn irgendwas gesagt?«
»Er nicht, aber seine Frau. ’Es muß nicht jeder an der Uniklinik arbeiten’, hat sie zu mir gesagt, ’auch wenn er die Gelegenheit hat’. Und nach der Gymnastik wollte sie dann keinen Termin mehr machen.«
»Ganz schön empfindlich, die Herrschaften«, meinte Alexa.
»Gott sei Dank ist er nicht nachtragend«, antwortete Henry. »Bei unserer nächsten Begegnung war wieder alles in Butter.«
»Das freut mich.«
Henry nickte und zeigte gleichzeitig auf Alexas Bauch. »Falls es plötzlich losgeht, drück’ ich auf
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