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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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beim Pförtner anrufen. Oder aber ich würde den Weg über den Balkon nehmen. Krampfhaft suchte ich weiter. Bei mir steckten solche Schlüssel in den Stiftbehältern oder in der Schublade. Hier allerdings war kein einziger Schlüssel zu finden, weder in Frau Merz’ Schreibtisch nebenan noch hier im Chefarztzimmer. Während ich die schweren Schubladen vorsichtig durchsuchte, bekam ich den Verdacht, daß die Polizei etliche Sachen mitgenommen hatte. In einigen Regalen und in manchen Schubladen herrschte ziemliche Leere. Systematisch sah ich noch mal von oben nach unten alles durch. Hier war nichts, jedenfalls kein Schlüssel. Ich ließ meinen Blick über den Schreibtisch schweifen. Ein Foto der Ehefrau in einem silbernen Rahmen. Frau Peuler war eine hübsche Frau, ein blonder Pagenschnitt, ein nettes Gesicht. Im Gegensatz zu Alexas Zeitungsfoto war sie auf diesem Bild sehr leger gekleidet, sportlich. Frau Peuler stand in einem Park. So sah es jedenfalls aus. Wahrscheinlich war das Foto auf einem Ausflug gemacht worden. Neben dem Bilderrahmen waren die üblichen Schreibutensilien aufgereiht, ein Behälter für Büroklammern, eine Art Rinne, in der ein paar edle Stifte lagen, ein Notizblockbehälter, alles aus dunkelbraunem Leder, allerfeinste Qualität. Dr. Peuler zeigte Klasse. Nur leider keinen Schlüssel. Entmutigt sah ich aus dem Fenster. Der Balkon. Dann entschied ich mich. Ich würde es über den Balkon versuchen – immer noch besser als rufend um Hilfe zu bitten. Vorsichtig öffnete ich die Glastür nach draußen. Es war dämmrig draußen, aber auch das konnte nicht über den schmucklosen Beton hinwegtäuschen. Da dies ein Patientenzimmer gewesen war, war der Balkon mit den anderen Balkonen an dieser Front verbunden und nur durch Plastikabtrennungen unterbrochen. Links ging es zum Balkon von Peulers Sekretärin, rechts mußte sich das nächste Patientenzimmer anschließen. Als ich mich über das Geländer beugte, wurde mein Bauch eingequetscht. Ich fuhr zurück. Die Narbe schmerzte höllisch. Nach zwei Minuten versuchte ich es ein zweites Mal. Mit aller Vorsicht gelang es mir, mich so weit vorzubeugen, daß ich einen Blick ins Nachbarzimmer werfen konnte. Dort war noch Licht. Außerdem lief der Fernseher. Es war keine Kunst, auf den nächsten Balkon zu gelangen, auch wenn man sich wegen der Absperrung außerhalb des Balkons am Geländer fortbewegen mußte. Die Schwierigkeit würde wohl eher darin bestehen, in das fremde Zimmer nebenan zu gelangen, ohne allzu viel Mißtrauen zu erwecken. Für den Fensterputzdienst war es zu spät. Außerdem fehlten mir für einen Meister-Proper-Auftritt die passenden Utensilien. Ich ging noch mal in Peulers Büro zurück. Um keine Spuren zu hinterlassen, drückte ich alle Schreibtischschubladen zu, die ich beim Suchen geöffnet hatte. Die oberste, die noch komplett herausgezogen war, klemmte. Ich ruckelte etwas hin und her. Nichts zu machen. Ich spürte es, als ich die Schublade an der Rückwand packte, um sie etwas gängiger zu machen. Da klebte etwas. Vielleicht Wolle, die mit einem Tesastreifen an der Rückseite der Schublade festgeklebt war. Ich tastete vorsichtig weiter. Sonst war da nichts. Nur dieser Klebestreifen mit dem wolligen Zeug darunter. Ohne etwas sehen zu können, löste ich den Tesastreifen behutsam ab. Dann zog ich das Ganze vorsichtig heraus. Haare! Schwarze Haare, die mit Klebestreifen an einer Schublade befestigt waren. Warum? Ich sah das Bündelchen angeekelt an. Eine Erinnerung? Dr. Peulers erste Freundin? Frau Peuler konnte es jedenfalls nicht sein. Die war blond. Das war auf dem Schreibtischfoto eindeutig zu erkennen. Gut, vielleicht färbte sie sich inzwischen die Haare, aber dunkelhaarig war sie sicherlich niemals gewesen. Nachdenklich steckte ich das Haarbündel in meine Tasche. Ich war mir sicher, daß die Polizei es nicht entdeckt hatte. Aber hatte es irgendeine Bewandtnis? Schwer zu entscheiden. Nachdenklich ruckelte ich mit Gewalt die Schublade zu. Außerdem schloß ich die Zwischentür zum Büro von Peulers Sekretärin. Endlich konnte ich mein Balkon-Vorhaben in Angriff nehmen. Ich schwang mich übers Geländer, kletterte in etwa acht Metern Höhe an der Balkonabtrennung vorbei und stieg dann auf den Nachbarbalkon. All das gelang mir, ohne ein einziges Mal nach unten zu schauen oder das heftige Stechen in meiner rechten Seite zu beachten. Ein Blick in das Krankenzimmer zeigte mir, daß man mich noch nicht bemerkt hatte. Die Bewohner starrten

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