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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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noch immer wie paralysiert in die Glotze. Ich mußte erst klopfen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ehrlich gesagt, war ich glücklich, daß ich es hier mit zwei jungen Kerlen zu tun hatte. Manch anderer hätte sich in dieser Situation bedroht gefühlt und um Hilfe geschrien. Die beiden Invaliden hier drinnen sahen sich jedoch nur einen Moment erstaunt an, einer sagte etwas zu dem anderen, dann erhob sich der am Fenster schwerfällig und humpelte auf die Balkontür zu. Wenn ich mich nicht täuschte, war es der Patient im grün gestreiften Bademanteloutfit. Mein grünes Gegenstück sozusagen.
    »Ja?« Offensichtlich erwartete man, daß ich zunächst ordnungsgemäß mein Anliegen vorbrächte. Sollte ich den Eismann machen und fragen, ob noch jemand ein Magnum wollte?
    »Ich hab mich ausgeschlossen«, plauderte ich einnehmend und war ganz stolz, daß ich beinahe die Wahrheit sagte. »Zu blöd. Ich konnte von draußen keine Schwester herbeirufen.«
    Die beiden Patienten sahen mich ausdruckslos an. Ich ahnte, was sie dachten: Ein Spinner! Ein echter Spinner. Gott sei Dank wußten sie nicht, was ich wirklich von Beruf war.
    »Wenn ich dann mal eben durch Ihr Zimmer durchdürfte.« Ich drängte mich an dem Pyjama-Humpler vorbei. Lieber schnell weg, bevor den Jungs bewußt wurde, daß ich nebenan gar nichts zu suchen hatte.
    »Wirklich zu dumm von mir«, plapperte ich noch, winkte freundlich und drängte mich aus dem Zimmer hinaus. Um ein Haar hätte ich dabei einen Pfleger umgerannt, einen Pfleger, den ich kannte – Stefan.
    »Ach hallo«, grüßte ich kumpelhaft und taumelte weiter. Der Pfleger sagte nichts. Ich war froh, daß ich mich aus dem Staub machen konnte. Ein paar Atemzüge später stellte sich so etwas wie Erleichterung ein. Ich war draußen. Ich war frei.
    Eilig hastete ich zu meinem Zimmer. Herr Peters schlief noch immer tief und fest. Als ich mich ins Bett fallen ließ, merkte ich, daß ich klatschnaß geschwitzt war. Wirklich ganz schön anstrengend so ein Klinikaufenthalt.

29
    Die Beamten im Streifenwagen hatten strikte Order, auf Marlene Oberste zu warten. Es dauerte auch nicht länger als zwölf Minuten, dann hielt ihr schwarzer Golf vor dem Haus. Nachdem dieser Vincent Jakobs angerufen hatte, war sie sofort losgefahren.
    »Ich gehe allein rein und rufe Sie bei Bedarf«, erklärte die Hauptkommissarin knapp. Dann ging sie mit eiligen Schritten zur Tür.
    Es dauerte nicht lange, bis geöffnet wurde.
    Beate Wolkov erschien bereits nach dem ersten Klingeln. Sie sah verweint aus.
    »Er ist nicht mehr da«, war alles, was sie sagte. »Aber glauben Sie mir, er hat es nicht getan.«

30
    »Warum verwahrt man eine Haarsträhne?« Alexa versuchte neue Antworten darauf zu finden. Als Erinnerung, hatte sie eben am Telefon zu Vincent gesagt. Als Erinnerung an jemanden, der einem lieb und wert ist. Als Erinnerung an vergangene Zeiten, an die Kinderzeit, als man noch buschige Locken hatte. Jetzt saß sie im Kinderzimmer und dachte weiter darüber nach. Eine schwarze Haarsträhne. Da war wieder dieses Gefühl. Ja, tatsächlich. Alexa spürte, daß da ein Zusammenhang war zwischen dem Mord an Dr. Peuler und den Haaren, die Vincent gefunden hatte. Irgend etwas verband die beiden Dinge. Alexa sah sich im Zimmer um, das bald ihrem Kind gehören sollte. Ein Bastkörbchen stand da, fertig bezogen. In einer Kommode lag die Erstlingswäsche, daneben im Regal ein paar Babyspielzeuge, die Alexas Schwester aussortiert hatte. Einige Bücher aus Alexas Kindheit. Damit hatte es zu tun, mit Alexas Kindheit, mit irgendwelchen Erinnerungen. Alexa rutschte zu dem Regal hinüber. Als sie das Buch sah, passierte es. Alles war da. Die Szene. Das Drumherum. Der Zusammenhang. Fieberhaft griff Alexa das Buch und blätterte darin. Da endlich hatte sie die Geschichte aufgeblättert. Es war »Schneewittchen«. Warum war sie nicht eher darauf gekommen? Ein Klassiker. Da endlich hatte sie die Stelle gefunden und las:
    Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich: »Hätt’ ich ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz im Rahmen.«
    Bald darauf bekam sie ein

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