Krank für zwei
Schreibtisch aus dunklem Holz gelegen.«
»Das stimmt, und du meinst –«
»Rot wie Blut, weiß wie Schnee und schwarz wie Ebenholz. Der Täter hat da etwas inszeniert. Der hat Peuler nicht im Affekt getötet. Der hat gewußt, daß er da morgens an seinem dunklen Schreibtisch sitzt. Und er hat auch gewußt, daß er um die Zeit bereits seinen weißen Kittel trägt.« Alexa sah mich eindringlich an. »Und jetzt noch diese schwarze Locke. Die stammt von Schneewittchen. Ich bin sicher. Die stammt von Schneewittchen.«
»Du meinst, der Täter hat auch diese Locke absichtlich am Tatort hinterlassen?«
»Natürlich, das ist doch kein Zufall.«
»Aber warum so versteckt? Um ein Haar wäre sie gar nicht gefunden worden. Warum hat er sie nicht auffälliger deponiert?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, Alexas Feuer verglühte langsam. Sie wurde nachdenklich. »Vielleicht war dieses Zeichen nur für ihn selbst gedacht. Ein Gruß, der nur für ihn selbst wichtig war. Oder es ist einfach ein Tick. Vielleicht macht der Täter das öfter, daß er hinter einer Schublade etwas verbirgt.«
»Wenn das alles stimmt«, bemerkte ich nachdenklich, »dann habe ich jetzt ein Problem.«
Alexa sah mich fragend an.
»Ich habe Marlene Oberste nichts von der Locke erzählt.«
»Wie bitte?«
»Ich dachte, daß das Haar auf jeden Fall von Peuler selbst an dieser Schublade befestigt worden ist.«
»Ach, erzähl doch nichts! In Wirklichkeit war es dir peinlich, daß du dich bei Peuler im Zimmer rumgetrieben hast. Wenn du von der Locke erzählt hättest, hättest du das nicht länger verschweigen können.« Alexa stand auf. Dabei stöhnte sie hörbar vor sich hin. »Seit der Schwangerschaftsgymnastik kann ich mich kaum noch bewegen.«
»Du wolltest ja unbedingt hingehen!«
»Henry meint auch, das sei kein Problem.«
»Wer ist Henry?« Meine Frage war eine rhetorische. Ich wußte, wer Henry war. Dieser knackige, braun gebrannte Krankengymnast. Alexa grinste.
»Nun sag schon, wer ist Henry?«
»Mein Schwangerschaftstrainer. Ein Traum von einem Mann!« Alexa setzte ihr liebenswürdigstes Lächeln auf. »Falls du wegen Unterschlagung von Beweismaterial hinter Gitter mußt, wird er mich bestimmt gerne vorübergehend betreuen.«
Als Alexa das sagte, wußte ich nicht, wen ich mehr haßte. Braun gebrannte Krankengymnasten oder hochschwangere Sauerländerinnen, mit denen ich seit kurzer Zeit verheiratet war.
34
Max hörte davon, als im Radio die Lokalnachrichten liefen. Er war völlig perplex. Eva Peuler tot? Der Gedanke schnürte ihm alles zu. Vor zwei Tagen noch hatte er mit der Frau gesprochen, hatte die Verzweiflung zu spüren bekommen, die sie bewegte. Und jetzt war sie tot. Von einem Auto überrollt. Max dachte nach. Der Täter mußte Spuren hinterlassen haben. Wenn er mit dem Wagen Frau Peuler voll erwischt hatte, blieb das nicht ohne Folgen. Vielleicht waren Lackteilchen zu entdecken, von denen man Rückschlüsse auf das Auto ziehen konnte. Abdrücke vom Reifenprofil. Beobachtungen von Augenzeugen.
Insgesamt war dieser Mord in keiner Weise mit dem ersten zu vergleichen. Der erste war sauber und durchdacht gewesen. Spuren waren praktisch nicht zurückgeblieben. Der neue Mord glich eher einer Verzweiflungstat als einem ausgeklügelten Verbrechen. Da sollte jemand aus dem Weg geräumt werden. Wahrscheinlich jemand, der etwas wußte.
Max verbarg sein Gesicht im Kopfkissen. Verflixt. Vedder und er waren vorgestern dort gewesen. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, mehr aus der Frau herauszukitzeln. Aber das war ihnen nicht gelungen. Max kletterte aus dem Bett und machte das Radio aus, in dem jetzt wieder Musik gespielt wurde.
Hatte die Polizei inzwischen Wolkov erwischt? Max hatte die Sache nur noch am Rande mitbekommen. Der Besuch bei Kastner war folgenreicher gewesen, als er zunächst gedacht hatte. Eine Stunde danach hatte ihn ein heftiger Schwindel überkommen. Außerdem dröhnte sein Kopf wie eine Motorsäge in einer sauerländischen Weihnachtsbaumschonung. Gehirnerschütterung, ganz klar. Der Arzt hatte ihm ein paar Tage Ruhe verordnet. Dabei hatte Vincent schon während seines Arztbesuchs versucht, ihn zu erreichen. Er hatte ein Gespräch belauscht – zwischen Lübke und Wolkov. Aber es war noch eine zweite Nachricht von ihm auf der Mail-Box gewesen. Vincent hatte sich inzwischen direkt bei Marlene Oberste gemeldet. Die Sache drängte. Verflixt, so gern Max auch weiter in der Sonderkommission Krankenhaus gearbeitet
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