Krank (German Edition)
Cherry-Kirsche. Das soll keine Anspielung sein, Detective Cherry. Ich meine den Belag …«
Ich bedankte mich bei Caldwell für seine Ausführungen, ehe er sich über Suppen oder Fleischgerichte ausließ.
»Haben Sie noch etwas entdeckt, Cherry?«, fragte ich sie.
»Hinter dem Gebäude gibt es einen nur spärlich beleuchteten Parkplatz, den man von der Straße aus nicht gut sieht. Gut möglich, dass der Täter dort hinten geparkt, den Leichnam eingepackt hat und sofort wieder wegfuhr. Wer soll so etwas mitkriegen? Um acht Uhr abends sind hier die Bürgersteige hochgeklappt.«
Ich schlenderte nach draußen und schaute mich dort um: ein paar Lagerhallen, ein Antiquitätengeschäft, ein Gebrauchtwagenhändler und ein Stück weiter hinten eine kleine Wohnwagensiedlung mit unverstelltem Blick auf das Bestattungsinstitut.
Das County, das an Woslee grenzte, hieß Stanton, und Cherry hatte zu den Polizisten dort einen wesentlich besseren Draht als zu Beale. Drei uniformierte Beamte erklärten sich sofort bereit, den Bewohnern der Wohnwagensiedlung einen Besuch abzustatten und sich zu erkundigen, ob jemandem am vergangenen Abend zufälligerweise etwas Ungewöhnliches aufgefallen war. Binnen kürzester Zeit landeten die Kollegen von Stanton County einen Treffer.
Mr. Gable Paltry war ein magerer, farbloser Mitsechziger, an dem alles braun war: Augen, Zähne, das schütter werdende Haar und die schuppigen Flecken auf seinen Wangen. Sein ärmelloses T-Shirt und seine Hose waren von braunen Flecken überzogen, seine Schuhe ebenfalls braun. Paltry, der Tabak schnupfte oder kaute, spie einen zähflüssigen braunen Brei in einen Pappbecher, als wir sein Wohnzimmer betraten.
»Überlassen Sie Mr. Charming mir«, flüsterte ich Cherry zu.
»Dafür haben Sie was gut bei mir«, versprach sie.
Dem Mann gefiel es gar nicht, dass Cherry unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, aus dem Wohnwagen trat. Ich zog einen Stuhl heran, hielt wegen der Spuckerei Distanz und zückte einen Notizblock.
»Ich habe einen Sattelschlepper gesehen«, verkündete Paltry und spähte an mir vorbei in der Hoffnung, einen Blick auf Cherry zu erhaschen. »Die Zugmaschine war rot und ziemlich alt, der Auflieger silbern. Manchmal kommt es vor, dass die Trucker von der Bundesstraße abfahren und auf dem Parkplatz übernachten. Und dann war da noch ein großes Wohnmobil, das etwa zehn Minuten lang geparkt hat. Helle Farbe. Hinten auf dem Ständer hingen Fahrräder, ein Grill und anderer Kram.«
Ein Urlauber, der es wie die LKW- Fahrer hielt und einen Stopp einlegte, um sich kurz auszuruhen, etwas zu essen oder einen Blick auf die Straßenkarte zu werfen.
»Sonst noch jemand?«
»Ja. Ein Pärchen hat da hinten geparkt. So gegen ein Uhr in der Früh. Die Frau hatte rote Haare, von dem Typen konnte ich nicht viel erkennen. Die beiden waren etwa eine halbe Stunde dort und sind nicht ausgestiegen.«
Ich drehte den Kopf, blickte zu dem Bestattungsinstitut hinüber und malte mir aus, wie es dort bei Nacht aussah.
»Sie sagten, die Frau wäre rothaarig gewesen, Mr. Paltry?«
»Stimmt. Trug die Haare länger. Und hatte eins von diesen engen Tops ohne Träger an, in Pink. Sie war auf dem Beifahrersitz und hatte wirklich ordentliche …«
»Was für ein Fernglas benutzen Sie?«, fragte ich beiläufig.
»Wie bitte? Ich spioniere doch niemanden aus.«
Die Tatsache, dass er blutrot anlief, bestätigte meine Einschätzung: Mr. Paltry hatte auf eine kleine Vorführung gehofft. Ein dunkler Parkplatz unweit der Bundesstraße war der perfekte Ort für ein Stelldichein. Hier trafen sich Teenager oder verheiratete Erwachsene, die ihren Seitensprungpartner nicht mit nach Hause nehmen konnten. Vielleicht vertrieb sich Paltry die Zeit damit, darauf zu warten, dass ein Fahrzeug auf den Parkplatz fuhr und er sein Fernglas herausholen konnte in der Hoffnung, ein angetrunkenes Pärchen beim Sex im Wagen – oder wenn ihm das Glück hold war – auf der Motorhaube zu beobachten.
Ich bediente mich eines Kunstgriffs, der sich bei zahlreichen Treffen mit Kollegen und Bürgerinitiativen bewährt hatte. Ich reckte das Kinn und sagte mit Grabesstimme: »Ich ermutige Mitglieder von Bürgerwehren stets, im Kampf gegen das Verbrechen Hilfsmittel einzusetzen, Sir. Es ist immer von Vorteil, wenn die Menschen darauf achten, ob sich Fremde in ihrer Nachbarschaft herumtreiben.«
Paltry holte tief Luft, schob die Brust nach vorn, bedeutete mir mit erhobenem Zeigefinger, dass ich mich
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