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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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behandelt. Auf den einzelnen Stationen – im Jargon der Mitarbeiter auch Abteilungen genannt – herrschten unterschiedliche Sicherheitsbestimmungen. Da Crayline dort nur zur Beobachtung gewesen war, konnte man davon ausgehen, dass er zu den normalen Patienten wie meinem Bruder keinen Kontakt gehabt hatte.
    Die Spekulationen brachten mich nicht weiter, ich brauchte Gewissheit. Ohne zu überlegen, rief ich Dr. Wainwright im Institut an, schilderte ihr kurz die Situation und bat sie um Craylines Akte.
    »Die Patientenakten dürfen nur von den Angestellten eingesehen werden, Detective«, entschuldigte sie sich. »Und zwar nur von den Ärzten. Allen anderen Mitarbeitern werden sie nicht zugänglich gemacht.«
    »Es könnte aber wichtig sein«, drängte ich sie.
    »Es tut mir außerordentlich leid, aber bestimmte Notizen und Beobachtungen unterliegen der Schweigepflicht.«
    »Ist noch gar nicht lange her, dass Sie mich gebeten haben, ins Institut zu kommen und Ihnen zu helfen, Bobby Lee Craylines Hypnose zu verhindern, Doktor. Hinterher haben Sie gesagt, Sie wären mir etwas schuldig …«
    »Ich weiß«, murmelte sie kleinlaut.
    »Für mich hörte sich das wie ein Versprechen an, auf dessen Einlösung ich jetzt bestehe.«
    Sie schwieg kurz und sagte dann: »Warten Sie, ich schließe eben meine Bürotür.«
    Während Wainwright Craylines Akte überflog und die entsprechenden Details schilderte, machte ich mir Notizen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich meinen Block auf den Boden schleuderte, zu wütend, um weiterzuschreiben. Als ich mich bei Wainwright für ihre Unterstützung bedankte, musste ich mich schwer beherrschen, meinen Ärger nicht an ihr auszulassen.
    Mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen rannte ich zu meinem Bruder hinüber.

Kapitel 37
    Ich stieg auf Jeremys Veranda und versuchte, mich zu beruhigen. Falls er merkte, wie sauer ich war, warf er mich raus oder lief in den Wald. Reiß dich zusammen, bläute ich mir ein. Lass dir nichts anmerken . Die Tür war nicht zugesperrt, und so trat ich einfach ein.
    »Jeremy«, rief ich und stürmte ins Wohnzimmer. »Wo steckst du?«
    »Oben … in meinem Büro«, antwortete er erfreut. »Komm und sieh mir zu, wie ich Geld mache, kleiner Bruder. Der polternde Trunkenbold eröffnet heute den Markt mit einem ordentlichen Gelage.«
    Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte ich nach oben, durch den Flur, in sein Büro. Er saß in einem schwarzen Nadelstreifenanzug, pinkfarbenem Hemd und ordentlich gebundener Krawatte an seinem Schreibtisch. Zuerst traute ich meinen Augen nicht, doch dann dämmerte mir, dass er gerade den Geschäftsmann mimte. Er besaß mehrere Outfits: das des kultivierten Gärtners, das des pensionierten Akademikers, des wettergegerbten Wanderers und jenes, das er im Moment trug. Anscheinend brauchte er die richtige Kleidung, um die jeweilige Persönlichkeit überzeugend zu spielen.
    »Was tust du hier?«, fragte ich ihn.
    Er drehte sich auf seinem Stuhl um. Auf den Monitoren vor ihm blinkten Diagramme, Schaubilder und Tabellen. »Das chinesische Wirtschaftsministerium hat einen Bericht veröffentlicht, in dem erhöhte Infrastrukturausgaben angekündigt werden. Und jetzt sieht mein Trunkenbold überall Dollarzeichen … Ich besitze einen großen Anteil einer asiatischen Kupfermine, deren Aktien an der Hongkonger Börse innerhalb von einer Stunde um acht Punkte gestiegen sind. Und nun werde ich …«
    » NEIN ! Ich will, verdammt noch mal wissen, was hier läuft?«, schrie ich und ruderte mit den Armen, um ihm deutlich zu machen, dass ich mit hier diesen Ort, diese Gegend meinte.
    Er musterte mich argwöhnisch, ehe er sich wieder auf den Aktienmarkt konzentrierte. »Was für eine Frage ist das denn, Carson? Ich finde sie recht vage. Worauf genau willst du hinaus?«
    Ich packte seine Stuhllehne und drehte ihn zu mir herum. »Ich spreche von Bobby Lee Crayline«, zischte ich wutschnaubend. »Er hat versucht, mich umzubringen, und ist dabei – Gott sei Dank – selber draufgegangen.«
    Zuerst spiegelte sich Überraschung in der Miene meines Bruders, doch nur eine Sekunde später wurde sie ausdruckslos, was bei Jeremy kein bewusster Akt war, sondern unwillkürlich passierte. Erst dann begann er zu schauspielern und verdrehte die Augen, als durchforste er sein Gedächtnis nach dem Namen, den ich gerade genannt hatte.
    »Tut mir leid, Carson, aber ich habe keinen Schimmer, von wem du sprichst.«
    »Du weißt ganz genau, wer Bobby

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