Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Bezahlt wird der Spaß von den Krankenkassen. Also von uns.
Wie stand es an diesem Freitag im Fußball? 0:1. Dumm gelaufen mit den Serben. Nein, nicht die Serben sind dumm – wir sind die für dumm Verkauften. Wenn ich dieses alljährlich rituell auftretende Geweine der »notleidenden« Krankenkassen schon höre: Man habe kein Geld (mehr)! Und wenn ich dazu noch diese eilfertig beispringenden Gesundheitspolitiker höre: Es gäbe nun trotz aller kostensenkenden Maßnahmen leider keine Alternative! Dann platzt mir der Kragen. Was für eine Dreistigkeit, eben mal 14 Milliarden in Richtung Plastikkärtchen in die Tonne zu treten, um dann mit tränenerstickter Stimme ein Milliardendefizit zu reklamieren, das man nur mit Beitragserhöhungen beheben könne. Zahlen werden das Sie und ich. Sitzen diese verdammten Lobbyisten nun schon in der Regierung? Ich stelle fest: ja. In der FDP , aber auch in den anderen Parteien, die sich wieder einmal in souveräner Arroganz über das Volk hinweggesetzt haben. Schade, dass es noch keine elektronische Wählerkarte in Rot gibt. Schamloser hat selten eine Regierung ihr Volk gelinkt, als diese Schwarzblaugelbe.
In der Politik muss man wissen,
wann
man die heiklen Dinge präsentiert. Am besten tut man es, wenn in den Zeitungen die Headlines schon gebucht sind. »Rund um das WM -Viertelfinale erlebt Angela Merkel ihren besten Tag seit langem. Deutschland feiert, sie darf in die Kabine, Schweinsteiger umarmt sie«, lese ich in Süddeutschen vom 4. Juli. Zwar hatte Karl Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler mal wieder darauf hingewiesen, dass eine Flugstunde mit der Regierungsmaschine ca. 10 000 Euro verschlingt, aber die Kanzlerin wusste, warum sie sich genau jetzt auf die Seite der Gewinner schlug. Wenig später nämlich, und pünktlich zu den Halbfinals der Fußballweltmeisterschaft (6. Juli: Uruguay/Niederlande, 2:3; 7. Juli: Deutschland/Spanien, 0:1), trat Merkels Gesundheitsminister Rösler vor die Kameras, um sein »Eckpunktepapier für eine Gesundheitsreform« zu präsentieren: den mühsam abgerungenen Schwur, die gemeinsame politische Linie der Koalition. Diese Leitlinie stellt für Deutschland gewiss die größere Niederlage dar, als das 0:1 von Durban. Das Eckpunktepapier ist wahrscheinlich das, was man »Wende« oder »Systemwechsel« nennen könnte: Weg von der weitgehend solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung ( GKV ), hin zu einem am Ende fast ausschließlich von den Patienten und Versicherten getragenen Krankenversicherungsschutz. Der Teufel sitzt im Detail. Hatten wir bislang einen paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so wird der Arbeitgeberbeitrag jetzt bei 7,3 Prozent festgefroren und den Arbeitnehmern im Effekt das Portemonnaie geöffnet. In Zukunft sind es nämlich allein noch die Versicherten, die Kostensteigerungen bei den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen haben. Bereits heute finanzieren die Versicherten ca. 60 Prozent der Gesundheitskosten. Wissen die Bürger eigentlich, dass es in den letzten Jahren Kostensteigerungen von jeweils ca. 4 Prozent gab, während wir gleichzeitig von stagnierenden bis sinkenden Reallöhnen sprechen? So geht Politik in unserem Land.
Wie traurig, dass nicht nur die erste und zweite Gewalt im Staat, sondern auch die dritte, sich immer wieder für eine weitere Dehumanisierung im deutschen Gesundheitswesen hergibt. So geschehen am 25. Juni 2010, als die Zweite Strafkammer des Bundesgerichtshofs einen prekären Entscheid in Richtung Sterbehilfe fällte. Wer keine Patientenverfügung gemacht hat, ist jetzt arm dran. Schon bisher standen Patienten, die im Wachkoma lagen, in einem schlimmen Spannungsfeld. Rein ökonomisch gesehen, belastete dieser Patient die Kasse Tag für Tag mit immensen Kosten, während die Pflegeheime (rein ökonomisch gesehen) ein Interesse daran haben mussten, dass die künstliche Ernährung so lange fortgesetzt werden würde wie immer möglich. Sie verdienen ja daran, wie übrigens auch die Hersteller von Sondennahrung. Nun, fanden die Richter, man kann den Schlauch durchschneiden und den Patienten damit dem Tod überlassen. Es muss nur einer den Finger heben, der einmal gehört haben will, der Komapatient habe zu Lebzeiten geäußert, er wolle nicht künstlich ernährt werden. Prosaisches Ende einer Dienstfahrt. Eugen Brysch, GF der Hospiz-Stiftung, reagierte mit Entsetzen: »Ein spektakulärer Prozess für den Rechtsanwalt, ein schwarzer Tag für die Schwerstkranken in
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