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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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an. Die meisten blieben bei uns. Agnes war eine gute und gerechte Dienstherrin.
    Der alte Matthias hatte schon bei Einbruch des Winters die Kälte in den Knochen gespürt. Seine Finger schmerzten, und er konnte die Forke nicht mehr halten. Meine Kräuter halfen ihm, die Schmerzen auszuhalten, konnten ihn aber nicht mehr heilen. Am Morgen des vierten Februar stand er in der Tür zur Küche. Ein gebeugter Schatten. Er drehte seinen Hut in den Händen und wartete, bis Agnes sich zu ihm wandte.
    »Matthias?« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Komm doch herein und setz dich.« Sie wies auf einen Stuhl. Matthias rührte sich nicht.
    »Ich bin gekommen, mich zu verabschieden, Bäuerin.«
    »Du willst zu einem anderen Herrn?«, fragte Agnes erschrocken. Sie mochte Matthias. Seine ruhige und bedächtige Art. Sein Wissen um das Getreide und das Wetter. Seine Weisheit, die er mit dem Alter gesammelt hatte und die er an die Jungen weitergab. Mehr als einmal hatte sie ihm das beste Stück Fleisch zugeschoben, das eigentlich dem Herrn des Hauses zugestanden hätte.
    »Ich bin zu alt, um zu arbeiten, Bäuerin.«
    »Und wo willst du hin?«
    »Ich will niemandem zur Last fallen«, wich er der Frage aus. Die meisten Knechte und Mägde blieben so lange bei ihrem letzten Dienstherrn und trugen ihren Teil bei, bis sie starben. Nicht allen waren ein freundlicher Herr und ein friedliches Ende gegeben. Ich hatte gehört, dass es in einigen Teilen unseres Landes Höfe gab, auf denen die alten Hofdiener ihre letzten Tage verbringen konnten, aber es gab nur sehr wenige, und der nächste war sehr weit entfernt. Agnes ging zu Matthias, legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Du bist keine Last. Auch wenn du nicht arbeiten kannst. Du hast dir dein Brot lange genug verdient. Ich möchte nicht, dass du gehst.« Sie zog ihn an den Tisch und drückte ihn auf den Stuhl. Matthias ächzte.
    »Ich bin nutzlos wie ein alter Ochse«, brummte er und wollte wieder aufstehen. Agnes lachte.
    »Du bist stur wie ein alter Esel.« Sie stellte einen Becher mit heißem Tee vor ihm ab. »Hier. Wärm deine Knochen. Und dann gehst du und packst deine Habseligkeiten wieder aus. Wir werden schon etwas finden, damit du nicht nur nutzlos in der Ecke sitzt.« Wieder legte sie ihre Hände auf seine Schultern wie eine Tochter ihrem Vater. Es klopfte.
    Die Tür öffnete sich, und wieder stand ein Schatten in der Tür. Auch dieser drehte, als ich im Gegenlicht etwas erkennen konnte, wie ein Echo auf Matthias seinen Hut in den Händen. Nur war er jung, seine Schultern gerade und stark. Durch das Dämmerlicht blitzten dunkle Augen. Seine dichten Haare trug er im Nacken zu einem kurzen Zopf gebunden.
    »Braucht ihr einen neuen Knecht?«, fragte er, lächelte und betrat die Küche, noch bevor er hineingebeten worden war. Agnes ging auf ihn zu und betrachtete ihn von oben bis unten. Ihr gefiel seine freche Art nicht, das konnte ich sehen. Es war nicht gut, wenn die Knechte sich zu viel herausnahmen, und Agnes hatte schon mehr als einmal einen in seine Schranken verweisen müssen, der dachte, auf einem Hof ohne Herrn wäre ein leichtes Leben.
    »Unser Gesinde ist vollständig. Wir kommen gut aus.« Sie stemmte die Hände in die Hüften.
    »Ich habe Erfahrungen mit dem Vieh, kann helfen, wenn die Kälber kommen und die Lämmer.« Er rührte sich nicht vom Fleck. Stand breitbeinig da und blickte von Agnes zu mir und zurück. Sein Blick war klar und ehrlich. Keiner, der sich beugte vor denen, die Respekt nur forderten, ohne ihn zu verdienen.
    »Frag beim Nachbarn. Da haben sie immer eine Menge Arbeit.« Agnes verschränkte die Arme vor der Brust. Der Knecht warf mir noch einen Blick zu, senkte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern. Er drehte sich um und ging zur Tür.
    »Wie heißt du?«, wollte ich wissen, erstaunt über mich selbst. Auch wenn Agnes und ich alles besprachen und sie viel Wert auf meine Meinung legte und meinen Rat hören wollte, taten wir das immer nur hinter verschlossenen Türen. Dass ich, in den Augen aller ihre Magd, ihr widersprach, überraschte sie. Verblüfft sah sie mich an. Der Knecht blieb stehen.
    »Wilhelm. Ich heiße Wilhelm«, sagte er, die Hand schon an der Tür.
    »Wir brauchen einen Ersatz für Matthias.« Ich sah Agnes nicht an, während ich das sagte, sondern behielt Wilhelm im Blick. Langsam wandte er sich wieder zu uns um. Um seinen Mundwinkel zuckte es. Er lächelte wieder. Ich spürte, wie die Röte an meinem Hals hochstieg.

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