Kraut und Rübchen - Landkrimi
erhitzte, sondern weil von einer Minute auf die andere der Sommer ausgebrochen war. Durch Milas Küchenfenster strahlte die Sonne von einem Vergissmeinnicht-blauen Himmel und zeigte gnadenlos die Versäumnisse meiner Nachbarin bei der Glaspflege in den letzten Monaten.
»Du kannst eines von meinen Shirts haben«, bot sie mir an, und ich nickte. Ich hatte keine Wahl, wenn mein Fleece sich nicht in eine mobile Sauna verwandeln sollte. Meine mitgebrachte Kleiderauswahl war in mehr als einer Hinsicht nicht wirklich durchdacht gewesen. »Hier.« Sie griff in einen Berg Bügelwäsche und warf mir ein Shirt zu. Ich fing es mit der einen Hand auf und nahm mit der anderen ein Gespräch auf meinem Handy entgegen. Ob meine Rettungsversuche doch etwas gebracht hatten oder ob einfach die letzten Reste an Feuchtigkeit aus dem Inneren des Telefons entwichen waren, war mir in diesem Augenblick egal. Ich war wieder erreichbar.
»Rübchen.«
»Kriminalhauptkommissar Schröder hier. Sie erinnern sich? Ich war mit meiner Kollegin bei Ihnen, um die Unterlagen von Ihrer Tante einzusehen.«
»Natürlich«, entgegnete ich und formte ein stummes »Polizei« mit den Lippen. Mila nickte. Sie hatte verstanden. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja.« Er räusperte sich. »Wo sind Sie gerade?«
»Bei einer Freundin. Warum?« Ich blickte aus einer Ahnung heraus aus dem Fenster. Kriminalhauptkommissar Schröder stand auf Zehenspitzen vor meiner Haustür, spähte durch das kleine Fenster im Holz ins Innere des Hauses und presste mit der anderen sein Handy ans Ohr. Seine Kollegin wartete einige Schritte von ihm entfernt und sah in unsere Richtung. Ich wich vom Fenster zurück. Mila beugte sich ebenfalls zurück, doch zu spät. Die Polizistin setzte sich in Bewegung und kam auf Milas Haus zu. Ich schaltete das Telefon auf Lautsprecher.
»Wann sind Sie wieder da?« Schröders Stimme knarzte durch den Raum. Mila hob den Zeigefinger der rechten Hand und wedelte damit wild vor meiner Nase herum. Mit der anderen zog sie mich am Arm hinter sich her.
»Ich weiß es noch nicht genau. Wieso? Gibt es Probleme?« Ich folgte ihr. Stumm deutete sie auf die Treppe.
»Geh rauf«, flüsterte sie leise und wandte sich der Haustür zu. Ich zögerte. »Mach schon!« Sie scheuchte mich mit der Hand. Ich schaltete den Lautsprecher aus, ging hinauf und hielt den Hörer zu, damit Schröder nicht hören konnte, was ich tat. Es klingelte.
»Keine Probleme.« Schröder. »Wir hätten da nur noch ein paar Fragen, die ich gern persönlich mit Ihnen klären möchte.«
»Ich melde mich, sobald ich wieder zu Hause bin«, sagte ich, legte auf und stellte den Klingelton stumm. Wenn er jetzt versuchen würde, mich zurückzurufen, konnte ich mich mit einem Funkloch herausreden. Hier auf dem Land eine sehr glaubhafte Ausrede. Unten öffnete Mila der Polizistin die Tür. Ich lauschte, konnte aber nichts verstehen. Nach einer Minute hörte ich, wie Mila die Treppe heraufkam.
»Sie sind weg.«
»Was sollte das jetzt?«
»Was?«
»Dieses Versteckspiel.« Ich lehnte mich in den Türrahmen und wartete auf eine Antwort.
»Du wolltest mir doch Marions Sachen geben.«
»Was hat das mit der Polizei zu tun?«
»Wenn Sie zu dir kommen, haben sie nicht nur Fragen, sondern sie wollen auch etwas vor Ort erledigen. Zum Beispiel einige Dinge mitnehmen.«
»Na und?«
»Einige der Kräuter sind wirklich schwer zu beschaffen. Ich hab einfach keine Lust, dass sie mir alles durcheinanderbringen.«
»Und das ist alles?«
»Das ist alles.« Sie nickte und ging wieder nach unten. »Jetzt komm. Wir bringen die Sachen hierher. Und wenn sie noch einmal fragen, sagst du einfach, du hättest entrümpelt, weil du mit dem Kram nichts anfangen konntest.«
Ich nickte und folgte ihr stumm die Treppe hinunter. Warum sollten Marions Sachen nicht in die Hände der Polizei gelangen? Ich blieb stehen und betrachtete Mila. Sie schien meinen Blick zu spüren und drehte sich um.
»Was ist?« Sie neigte den Kopf und lächelte mich herzlich an. »Keine Lust?«
»Doch, doch.« Ich gab mir einen Ruck. Gerade hatte ich beschlossen, ihr zu vertrauen, und schon machte mir meine paranoide Ader wieder einen Strich durch die Rechnung. »Alles klar. Ich komme.«
Drei Stunden später sah Marions Arbeitszimmer so sauber und aufgeräumt aus wie schon lange nicht mehr. Sämtliche Behälter, Dosen, Säckchen und lose Kräuterbündel hatten bei Mila ein neues Zuhause gefunden. Die Fachliteratur bog nun ihre Regale, und ich
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