Kraut und Rübchen - Landkrimi
können. Ansonsten hat sie über dieses Thema nie wieder mit mir gesprochen.« Ich holte tief Luft. »Marion hat nicht darüber verfügt, was ich mit den Sachen machen soll. Also schenke ich dir jetzt die ganzen Kräuterutensilien und die Bücher auch noch. Du kannst sowieso besser damit umgehen, als ich es je gekonnt habe.«
»Du willst mir die Sachen schenken?«
»Nenn es, wie du willst. Wir können auch sagen: Marions Testament in ihrem Sinne ändern, wenn dir das lieber ist.«
Mila neigte den Kopf zur Seite und sah mich prüfend an. »Ich könnte mich pro forma ein wenig zieren und wehren gegen so eine große Gabe, weil sich das so gehört und du ansonsten vielleicht denken könntest, ich wäre undankbar. Aber die Wahrheit ist …« Sie machte eine Pause und kratzte sich am Hinterkopf. »Die Wahrheit ist: Ich nehme an, weil ich denke, dass ich es verdient habe.«
»Wenn ich mal etwas nachschlagen oder herstellen muss, kann ich mir das entsprechende Buch oder das Zubehör ja bei dir ausleihen. Oder noch besser, du hilfst mir.«
Für den Bruchteil einer Sekunde huschte ein erschrockener Ausdruck über Milas Gesicht. Dann strahlte sie. »In Ordnung.« Mit Schwung öffnete sie die Gartenpforte und hielt mir die Tür auf. »Hereinspaziert. Wir sollten das mit einem anständigen Kaffee feiern, meinst du nicht?« Ich nickte und folgte ihr zum Haus. Auf halbem Weg blieb sie stehen, drehte sich zu mir um und stemmte die Hände in die Hüften. »Und was ist mit dem Tagebuch?«
»Das möchte ich erst selbst zu Ende lesen. Ich gebe es dir, sobald ich es durchhabe.«
Mila schob ihr Kinn vor. Ich hatte den Eindruck, als ob sie noch etwas sagen wollte, es sich aber verkniff. Stattdessen wandte sie sich wieder dem Haus zu und ging mit langen Schritten voraus.
»Ich muss dir noch ein paar interessante Infos zu unserem Problem mit auf den Weg geben, bevor du dich in deine Dorfrettungsaktion stürzt«, rief sie im Gehen. »Vor allem auch zu dem Herzchen von Investor. Er ist nämlich auch jemand von hier .« Sie betonte die beiden letzten Worte. »Die Froböss’ sind eine ganz uralt eingesessene Familie hier im Ort. Waren noch nie so sonderlich beliebt. Aber dieser schießt wirklich den Vogel ab.«
»Mein Schwager hat mir Gewalt angetan.«
Die junge Frau saß auf der äußersten Kante des Stuhls, den ich ihr neben den Herd geschoben hatte. Sie sprach mit leiser Stimme und hielt den Kopf gesenkt. Quer über ihre linke Wange zog sich ein blutiger Kratzer. »Ich habe gehört, du kannst helfen. Kannst du mir helfen?«
»Ich will sehen, was ich tun kann.« Ich reichte ihr einen Becher dampfenden Tees, den sie mit beiden Händen umfasste und vorsichtig daran trank. Sie zitterte. Ich setzte mich ihr gegenüber auf einen Stuhl, legte die Hände in den Schoß und wartete ab. Die Verletzungen einer Frau, die auf diese Weise misshandelt worden war, gingen tiefer als die Wunden auf ihrer Haut. Sie waren empfindlich, und ich wusste, dass ich mich an ihrem Schamgefühl nicht noch mehr vergehen durfte. »Möchtest du es bei der Polizei zur Sprache bringen?«, fragte ich und wunderte mich nicht über ihre Reaktion, als sie heftig den Kopf schüttelte.
Dass diese junge Frau überhaupt direkt zu mir gekommen war, war ungewöhnlich. Oft ließen die Mädchen und Frauen die Männer gewähren, verbanden selbst ihre Wunden und schwiegen zu dem Unrecht, weil in den meisten Fällen sie als die Schuldigen dargestellt und eines unmoralischen Wandels bezichtigt wurden. Wenn sie dann vor meiner Tür standen, hatten sich die Verletzungen oft entzündet und verursachten noch mehr Schmerzen als die ursprünglichen Schläge.
»Möchtest du mir deine Verletzungen zeigen, damit ich die Wunden behandeln kann?«
Sie nickte, stand auf und folgte mir in die Schlafkammer. Ich hängte eine Decke vor das Fenster, damit niemand hineinsehen konnte, und zündete die Lampe an, um nichts zu übersehen. Mit spitzen Fingern löste sie den Knoten ihrer Bluse. Langsam zog sie sich aus. Ich hielt den Atem an. Quer über ihre linke Brust zog sich oberhalb der Brustwarze ein langer Schnitt, wie von einem Messer. Darunter, unterhalb ihres Nabels, mehrere Striemen nebeneinander angeordnet. Blaue Flecken auf den Innenseiten ihrer Arme und einige an den Beinen. Die Schnitte waren zum Glück nicht tief, aber einige der hellroten Strähnen waren von geronnenem Blut schwarz verklebt.
»Er hat mich mit dem Messer bedroht und angegriffen, damit ich ihm zu Willen bin.« Sie
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