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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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dass ich dir bei deinem Vorhaben nicht beistehen werde. Du bist nicht in Not.«
    »Wer sagt das? Du?« Sie reckte ihr Kinn vor. »Hier!« Sie streckte mir ihre Unterarme entgegen und riss die Ärmel ihrer Bluse hoch. »Was ist das? Bilde ich mir die Schnitte nur ein?«
    »Nein. Du bildest sie dir nicht ein. Sie sind da. Aber nicht dein Schwager hat sie dir beigebracht.«
    »Wer behauptet das? Wer immer das sagt, ist ein Lügner«, keifte sie und verfiel übergangslos in ein lautes Schluchzen, dessen Falschheit aus jedem Ton drang. Schmierentheater. Ich merkte, wie ich wütend wurde. Sie hatte versucht, mich für ihre Zwecke einzuspannen, und mir dafür eine Notlage vorgespielt. Woher wusste sie überhaupt Bescheid? Was wurde erzählt unter den Frauen? Und wer bekam das Erzählte noch zu Ohren?
    »Das sagt mir jemand, den du nicht der Lüge bezichtigen würdest. Du selbst.« Ihre Augen wurden groß, sie öffnete den Mund, aber bevor sie etwas erwidern konnte, sprach ich weiter. »Dein Körper verrät es mir. Deine Wunden. Du hast sie dir selbst beigebracht.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Jeder einzelne der Schnitte ist nicht so tief, als dass er dich ernsthaft hätte verletzen können. Alle sind beinahe gleich tief und verlaufen parallel zueinander. Dein Schwager hätte sich schon sehr darauf konzentrieren müssen und du vollkommen stillhalten, damit es so gelingen konnte. Und das ist in der Lage, in die er dich angeblich gebracht, und bei dem Trieb, der angeblich dahintersteckt, doch sehr unwahrscheinlich. Denn augenscheinlich«, ich ergriff ihre Hände und drehte sie mit den Innenflächen nach oben, »hast du dich nicht gewehrt. Keine einzige Wunde, kein noch so winziger Schnitt ist hier zu sehen. Wenn dich jemand mit dem Messer angreift, was machst du dann? Stillhalten und warten, was kommt? Oder versuchst du, dich zu schützen? Dein Gesicht, deinen Hals. Du hebst die Hände, und natürlich fangen die den Angriff ab. Hier müssten die Wunden zu finden sein. Wild und kreuz und quer, tiefe und oberflächliche.« Ich hielt inne und rang um Atem. Die Aufregung machte mir zu schaffen. Ich war nicht mehr die Jüngste und merkte, wie mein Herz stolperte. Sie riss ihre Hand fort. Ihr ganzer Körper bebte. Ich sah, wie sie mit sich rang, wie sie versuchte, ihre Wut zu unterdrücken, und fragte mich, was tatsächlich der Grund für ihr Verhalten war und warum sie mich um Hilfe gegen ihren Schwager angegangen war. »Warum willst du ein Kraut von mir?«, fragte ich.
    »Weil er im Weg ist. Er sitzt auf dem Gut, das eigentlich meinem Mann gehören würde. Nur weil er der ältere der beiden Brüder ist, glaubt er, nicht teilen zu müssen.«
    »Was sagt der Vater der beiden? Ist er schon auf dem Altenteil?« Vielleicht schaffte ich es ja, sie zur Vernunft zu bringen, indem ich mit ihr redete.
    »Es gibt keinen Vater. Der ist schon lange tot.« Sie sah mich an und neigte den Kopf leicht zur Seite. Sie erinnerte mich an eine Katze, die bewegungslos vor dem Mauseloch kauert und auf ihre Beute wartet. »Er ist vom Pferd gefallen.« Sie machte eine Pause. Beim nächsten Satz betonte sie jedes Wort: »Er ist auf einem Stein aufgeschlagen und war wohl sofort tot. So sagt man.« Ich kniff die Augen zusammen. Das konnte nicht sein. Ich zögerte verunsichert. Sie bemerkte es und lächelte. »Willst du wissen, wie er hieß? Willst du wissen, wer ich bin?«
    »Mir ist der Rang eines Menschen nicht wichtig«, sagte ich, nach außen gleichgültig.
    »Der Vater meines Mannes war Arnold Froböss. Du erinnerst dich doch sicher.«
    Ich nickte. »Der Unfall ist auf diesem Hof passiert, vor mehr als zwanzig Jahren. Das ist lange her.«
    »Es war kein Unfall, und du weißt das.«
    »Er ist vom Pferd gestürzt. Auf den Stein geschlagen. Wir haben versucht, ihn zu retten, aber es war zu spät.« Die eingeübten Worte kamen ebenso glatt über meine Lippen wie vor lang vergangener Zeit.
    »Arnold Froböss hatte keinen Unfall. Du lügst«, sagte sie in dem gleichen leisen und ruhigen Tonfall, in dem ich sie vor wenigen Minuten noch angeklagt hatte.
    »Wer sagt das?«
    »Ich sage das.«
    »Mit welchem Recht?« Mir schwindelte. Ich stand wieder auf dem Hof, vor mir der reglose Körper. Das dumpfe Geräusch, als der schwere Stein meiner Hand entglitt und auf den Lehmboden fiel. Der Schatten am Hoftor.
    »Ich habe es gesehen. Und alles gehört.« Sie lächelte. »Ein Mädchen übersieht man leicht, zumindest solange es sich in dunkle Ecken und die geheimen Winkel

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