Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
Umdenkprozess statt: soziale und kulturelle Belange bekommen endlich mehr Gewicht. Die Guerilla-Gärtner vom Moritzplatz haben bei diesem Wertewandel selbst eine wichtige Rolle gespielt – gestützt durch die große mediale Aufmerksamkeit für ihr Projekt. Der Kampf um innerstädtische Freiräume trifft offenbar ziemlich exakt den Nerv der Zeit, gerade in Berlin, wo die letzten Lücken der Nachkriegszeit zu verschwinden drohen, während gleichzeitig die Altbau-Kieze gentrifiziert werden.
Mehr als 30.000 Unterstützer zeichneten im Herbst 2012 eine Petition an den Berliner Senat, um den Verkauf der Grünfläche an renditeorientierte Investoren zu verhindern. Kurz darauf startete unter dem Motto: „Wachsen lassen“ eine Crowdfunding-Kampagne auf der Spendenplattform Startnext – bis Februar 2013 ließen 580 Supporter dabei 24.000 Euro „rüberwachsen“. Mit den Stimmen wie auch dem Geld der Crowd scheint die Existenz der „Oase zwischen Verkehrsinsel und Brandmauer“ am Moritzplatz nun vorerst gesichert zu sein: der Verkauf durch den Liegenschaftsfonds des Landes Berlin wurde abgeblasen, demnächst wollen die Prinzessinnengärtner mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg über einen mindestens fünfjährigen Mietvertrag verhandeln.
Startnext.de: Krautfunding wird gemeinnützig
Anfangs war Kickstarter auch für viele deutsche Crowdfunding-Aspiranten die Plattform der Wahl – alleine schon deshalb, weil auf diesem Weg eine möglichst Crowd erreicht werden konnte. Ähnlichen Bekanntheitsgrad hat in Deutschland inzwischen Startnext erreicht, das seit Herbst 2010 existiert. Die Macher um Anna Theil, Denis Bartelt und Tino Kreßner verstehen sich als „Projektbeschleuniger im Bereich Kultur, Kunst und Medien“. Wie es sich für echte Gründer gehört, logiert man im Kreuzberger Betahaus, einer der für Berlins neue Gründerzeit so typischen Coworking-Areas.
Vom Prinzip her erinnert auf Startnext.de zunächst einmal an das US-Vorbild, etwa die Projektpräsentation mit Spendenbalken betrifft, den Einsatz von Promotion-Videos oder die Staffelung der „Goodies“ je nach Spendenhöhe. Auf den zweiten Blick entpuppt sich Startnext jedoch als echte Krautfunding-Plattform. Zum einen versammelt die Seite eben vor allem kreative Ideen aus deutschsprachigen Ländern, zum anderen gibt es bereits eine lebhafte Community, die bereits mehr als zwanzig kreative Entrepreneurs zum Erfolg geführt hat, vom Fotografie-Projekt „Paradise lost? Auf der Suche nach dem Paradies im Plattenbau“ über die Hörspiel-Produktion „Richard Diamond Privatdetektiv“ bis zu „Wild&Tame“, einem neuartigen Game-Controller aus Gummi.
Typisch deutsch schienen anfangs auch die eher bescheidenen Geldbeträge zu sein, um die es ging – kaum ein Projekt wagte sich an Summen von mehr als 5.000 Euro heran. Zu den teuersten Unternehmungen gehörte nicht ganz zufällig die Finanzierung für co:funding, die Crowdfunding-Konferenz auf der Berliner Bloggerkonferenz re:publica 2011. Insgesamt wurden bis Anfang 2012 via Startnext schon fast 400.000 Euro verteilt, bis Anfang 2013 stieg diese Summe auf 3 Millionen Euro.
Zu den ersten Rekordhaltern auf Startnext gehörten die Macher des Film-Projekts „Iron Sky“. Sie sammelten die damals noch astronomische Summe von 10.000 Euro ein, um damit die Post-Production ihrer im doppelten Sinne „abgedrehten“ Sci-Fi-Komödie. „Iron Sky“ ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Crowdfunding auch im Sinn von aufmerksamkeitsökonomischem Fundraising fungiert: „Ziel der Filmemacher ist es, die Fans schon im Produktionsprozess zu involvieren und damit eine Community für den Kinofilm aufzubauen“, so Oliver Damian von der deutschen Produktionfirma „27 Film Productions“. Inzwischen haben sogar schon Buchautoren wie Dirk von Gehlen („Eine neue Version ist verfügbar“) oder Philipp Steuer („Das Google+ Buch für jedermann“) fünfstellige Summen erzielen können, während manche Filmprojekte schon um die 100.000er Marke kreisen (z.B. der Doku-Streifen „Fortunas Legenden“ oder René Mareks „MAULWURF“-Film).
Zahlungstechnisch geht Startnext einen interessanten Sonderweg. Auf die Nutzung von PayPal wurde nämlich anfänglich verzichtet. Stattdessen setzten die Krautfunder auf Direktüberweisungen vom Bankkonto und FidorPay. Dieser neue Micropayment-Service wird von der deutschen Fidor Bank angeboten und funktioniert völlig ohne Transaktionsgebühren. Eine Kreditkarte ist ebensowenig
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