Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
fünf Tage vor der Frist waren die notwendigen 12.500 Dollar zusammengekommen, um die Plattform für Online-Texting zum Laufen zu bringen. Insgesamt 114 Unterstützer hatten sich daran beteiligt. Die meisten Spender steuerten weniger als 50 Dollar bei – knapp die Hälfte aller Beträge lag zwischen 5 und 25 Dollar. Drei Großspender gaben allerdings jeweils mehr als 1500 Dollar.
Ein Countdown auf der Projektseite newsgrape.com verkündet kurz darauf dann schon die verbleibenden Tage bis zum Start der Website, die Mitte Februar 2011 gelauncht wurde. Teilnehmen durften an der Closed-Betaphase neben den Supportern der ersten Stunde und ihren ausgewählten Invitees auch 100 Journalisten sowie 12 Universitäten. Nächste Stationen waren danach die öffentliche Beta-Phase und im Sommer 2011 dann auch der Start des Advertising & Affiliate-Systems, mit dem die AutorInnen an den Werbeeinnahmen beteiligt werden. Wie es sich für eine „gecrowdfundete“ Plattform à la Newsgrape gehört, wurden dann natürlich auch Flattr-Buttons in das System integriert.
Anders als das klassische Youtube wurde das Youtube für Texte jedoch kein Selbstläufer: Die kritische Masse ließ auf sich warten – und stellte Newsgrape vor das klassische Henne-Ei-Problem. Ohne genügend originären Content gab es zu wenig Leser, und mangels Lesepublikum fehlte die Motivation für Newsgrape-Autoren, neue Artikel zu posten. Als die Funds der Crowd Mitte 2012, ein knappes Jahr nach dem Launch, zur Neige gingen, stellte sich das österreichische Startup die Frage: was soll eigentlich unser Kernfeature sein? Das führte zum Kurswechsel von der kollaborativen Schreibplattform in Richtung community-gesteuertem Aggregator für kommerzielle News-Inhalte. Die finanziellen Mittel für den „major pivot“ (also die „große Wende“) lieferte nicht mehr die Crowd, sondern eine Kapitalspritze der Mailänder Investmentfirma 99 Fahrenheit.
Echtes Kraut-Funding: Guerilla-Gardening mitten in Berlin
Wer hätte das gedacht: Krautfunding ist nicht nur eine Grassroot-Bewegung, es kann auch echte Kräuter sprießen lassen. Der beste Beweis dafür sind die „Prinzessinnengärten“ im Berliner Bezirk Kreuzberg: am Moritzpatz, nur einen Seedball-Wurf von der Mauer entfernt, existierte seit Kriegsende eine Brachfläche – bis im Jahr 2009 eine Gruppe von urbanen Guerilla-Gärtnern aktiv wurde. Auf den knapp 6000 Quadratmetern entstand in kurzer Zeit ein lebendiger Nutzgarten, wo Gemüse und Kräuter in Bio-Qualität angebaut werden, Hobbyimker ihre Bienenkästen aufstellen und ein Gartencafé Besucher einlädt.
Öffentliche Förderung gab es dafür nicht, getragen wurde die Aktion von Anfang an von hunderten Freiwilligen, die neben Geld- und Sachspenden vor allem eins mitbrachten: ihre Arbeitskraft und die Lust am Gärtnern. „In einem Bezirk mit hoher Verdichtung, wenig Grün und vielen sozialen Problemen können Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Nachbarn, interessiete Laien, passionierte Gärtner und Freiluftenthusiasten – mit einem Wort: jeder, der will – in dieser sozialen und ökologischen Landwirtschaft gemeinsam mit uns lernen, wie man lokal Lebensmittel herstellt und gemeinsam einen neuen Ort urbanen Lebens schafft“, schreiben die Prinzessinnengärtner auf ihrer Website.
Mit einem klassischen Kleingarten darf man die grüne Insel am Moritzplatz natürlich nicht verwechseln: denn niemand hat hier sein eigenes Beet, alle Flächen werden gemeinsam bewirtschaftet. Außerdem ist deutlich mehr los als in der normalen Parzelle am Stadtrand: im Jahr 2012 zählten die Prinzessinengärten sage und schreibe 50.000 Besucher. Die urbanen Guerilla-Gärtner sind aber mindestens so gut organisiert wie die klassische Schreber-Bewegung: Für den Betrieb sorgt eine gemeinnützige GmbH namens „Nomadisch Grün“, die an die Stadt Berlin für die Nutzung der Flächen Gebühren zahlt. Doch wirklich etabliert sind die Prinzessinengärten an ihrem aktuellen Standort nicht. Der Mietvertrag gilt immer nur für ein Jahr, was den „mobilen“ Charakter des Projekts erklärt: Die Gebäude bestehen aus Containern, die Pflanzen werden in tragbaren Modulen angebaut, von recycelten Bäckerkisten über voluminöse Reissäcke bis zu kleinen Tetrapaks.
Der dauerhaften Nutzung standen bisher finanzielle Interessen des Berliner Senats entgegen – schließlich ist das Grundstück eine Menge Geld wert. Zum Glück findet bei den Hauptstadt-Politikern jedoch gerade ein allgemeiner
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