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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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Hand gab. Die hoch abstrakten Probleme, die Wilhelm Conrad Röntgen umtrieben, lagen thematisch weit ab von den existentiellen Nöten der Krebskranken und ihrer Ärzte. Trotzdem erschien buchstäblich fast aus dem Nichts ein ganz neues Instrument der Krebstherapie. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert gelang im Elfenbeinturm der neuen, bislang kaum verstandenen Physik eine ganz ungewöhnliche Entdeckung, die Geschichte machte.

Vom Stahl zum Strahl
    10. Oktober 2008
    L angsam entspannte sich ihr Körper. Sie nahm die Arme herunter, zögernd und bedächtig, als traue sie dem Frieden noch nicht recht. Die Positionslaser zeichneten feine rote Linien auf ihre Haut. Ich gab ihr einen Kuss auf die Nase. »Und? Wie war’s?«
    Imogen grinste mich an: »Im Vergleich zur Chemo fast wie Kinderfasching. Und trotzdem: Auch sehr, sehr merkwürdig. Ziemlich spooky. Eigentlich wargar nichts. Buchstäblich nichts – kein Ziehen, kein Zwacken, kein Hauch, kein Wärmegefühl, fast wie Vodoo.«
    Sobald der Beschleuniger das letzte Photon abgestrahlt und die tonnenschwere Stahltür freigegeben hatte, war ich zu Imogen in den Bunker gelaufen, um ihr vom Tisch zu helfen. Der letzte Teil der Behandlung hatte heute begonnen – die Nachbestrahlung der operierten Brust.
    »Und das soll helfen?«
    »Ja sicher.«
    Imogen zog ihre Nase in Falten: »Ihr killt alle Krebszellen, die da noch drinstecken könnten?«
    »Mit großer Wahrscheinlichkeit. Aber vielleicht ist da ja gar nichts mehr. Das wissen wir blöderweise nicht.«
    »Und den Rest meiner Brust lassen die Strahlen in Ruhe?«
    »Ganz so spurlos wird es nicht bleiben. In spätestens drei bis vier Wochen wird die Haut anfangen, sich zu beschweren. Aber mehr als ein mittlerer Sonnenbrand wird es nicht werden. Wenn wir im Juni ans Meer fahren, sieht der Brust keiner mehr an, dass sie mal bestrahlt wurde.«
    Ich tippte auf ihren Busen: »Trotzdem passiert da drin gerade ziemlich viel. Da ist gerade ganz schön viel DNA zu Bruch gegangen …«
    • • •
    Nur selten hat
ein wissenschaftliches Ereignis ein solches öffentliches Aufsehen erregt wie die Entdeckung der X-Strahlen. Sie waren wie geschaffen, die Phantasien eines breiten Publikums zu beflügeln. Der Natur war ein Phänomen entlockt worden, das sich den fünf menschlichen Sinnen vollkommen entzieht. Unsichtbar, unfassbar, laut- und geruchlos, hinterlassen die Strahlen doch deutlich sichtbare physikalische, chemische und schliesslich auch biologische Spuren. Es war kein Wunder, dass X-Strahlen und Radioaktivität Faszination und Furcht, Hoffnung und Argwohn in gleichem Maße provozieren konnten.
    Niemand, weder Röntgen noch Antoine Henri Becquerel noch deren Zeitgenossen, hatte damals eine genaue Vorstellung davon, wie diese Strahlung eigentlich beschaffen war. Menschen wie Marie und Pierre Curie hatten sich der Enträtselung dieses Geheimnisses verschrieben. Die Jagd auf die physikalische Natur der Radioaktivität und der X-Strahlen wurde zu ihrer Lebensaufgabe. Andere waren pragmatischer und dachten bereits wenige Wochennach den aufsehenerregenden Berichten von Röntgen und Becquerel über praktische Anwendungsmöglichkeiten nach.
    Röntgen selbst hatte
mit der ersten Röntgenaufnahme einer menschlichen Hand den Anstoß zur Geburt der Radiologie gegeben. Die neue Technik der Nutzung von Röntgenstrahlen zu Diagnosezwecken 28 verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit. In seiner Geschichte der Makaland-Feldtruppe berichtet ein gewisser Winston Churchill, damals noch Kriegsberichterstatter, dass im August 1897 ein Röntgengerät in ein Feldlazarett der britischen Kolonialtruppen am Fuße des Himalaya transportiert wurde; es sollte eine Gewehrkugel im Körper eines verwundeten Offiziers aufspüren. 29 Dabei waren seit der ersten Beschreibung der X-Strahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen gerade einmal 20 Monate vergangen.

Katalog der drängendsten Probleme
    Anfang des 20. Jahrhunderts changierte die Strahlentherapie irgendwo in einem Bereich zwischen mesmerisierendem Wunderglauben und seriöser Wissenschaft. Im Jahr 1904 zog der Franzose Joseph Belot eine erste Bilanz. In einer Mischung aus Selbstkritik und Resignation schrieb er: »Empirismus ist Trumpf; Messungen gibt es nicht; die Radiotherapie ist noch keine Wissenschaft«. 39 Der neuen Disziplin fehlte in der Tat fast alles, was sie zur Wissenschaft hätte machen können. Ihr fehlten die physikalischen und biologischen Grundlagen, aber auch die geeigneten Instrumente, um sich

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