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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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hingewiesen, es gebe aus Europa Hinweise, Anilinfarbstoffe könnten Krebs auslösen. Dr. Ellice McDonald, die Leiterin des Du Pont-Laboratoriums, hatte damals energisch bestritten, dass bei Du Pont jemals ein Problem mit Anilinfarbstoffen aufgefallen oder dass in den Werken eine auffällige Häufung von Krebsfällen beobachtet worden wäre.
    Jetzt allerdings musste Gehrman eingestehen, dass von ein paar hundert von ihm untersuchten Arbeitern, die in der Farbenproduktion des Unternehmens tätig waren, immerhin 23 an Blasenkrebs erkrankt waren. Blasenkrebs ist keine allzu häufige Erkrankung; diese 23 Fälle konnten kein Zufall sein. Du Pont hatte im Jahr 1917 mit der Herstellung von Farben auf der Basis von sogenannten aromatischen Aminen (Anilinen) begonnen. Jetzt, nach über zehn Jahren Latenzzeit, schienen ungeahnte Folgen ans Tageslicht zu kommen. Das war umso peinlicher, als der Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn einen möglichen Zusammenhang zwischen Blasenkrebs und Anilinfarbstoffen schon in den 1890er Jahren vermutet und beschrieben hatte. Drei Fälle von Blasenkrebs in einer Fabrik mit lediglich 45 Mitarbeitern hatten Rehns Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Diese Fälle waren dort etwa 20 Jahre nach Beginn der Produktion von Anilinfarbstoffen aufgetreten.
    Wilhelm Hueper war überzeugt, dass hier ein völlig neues Forschungsfeld eröffnet werden müsse. Im großen Stil wollte er sämtliche Industriechemikalien daraufhin überprüfen, ob auch andere Substanzen das Potential haben, Krebs auszulösen. Doch die Weltwirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten verhinderte Huepers großes Projekt. Kein Industrieunternehmen wollte unter solch schwierigen Umständen ein Forschungsprojekt finanzieren, das nicht nur Geld kosten würde, sondern auch den Absatz der eigenen Produkte ins Stocken bringen oder sogar verhindern könnte. Der zweite Grund, warum Hueper sich zunächst ins wissenschaftliche Abseits manövrierte, war 1934 seine Entscheidung, den Atlantik in der falschen Richtung zu überqueren, nachdem sein Projekt in den USA auf wenig Gegenliebe gestoßen war. Ausgerechnet in dieser Zeit, in der die Nationalsozialisten einem wesentlichen Teilder wissenschaftlichen Elite Deutschlands die Forschung und das eigene Überleben systematisch unmöglich machten und tausende Intellektuelle, Wissenschaftler und Künstler in die USA, nach Großbritannien, in die Schweiz, nach Frankreich und in andere Länder emigrierten, kam Hueper nach Deutschland. Bald ernüchtert kehrte er in die USA zurück und veröffentlichte 1942 sein Opus magnum, einen fast 1000 Seiten starken Katalog mit dem Titel »Occupational Tumor and allied Diseases«, in dem er Krebserkrankungen umfassend dokumentierte, die nach seiner Ansicht auf Industriechemikalien zurückgeführt werden konnten. Das Buch wurde von der internationalen Fachpresse entweder ignoriert oder verrissen.
    Mittlerweile ist der Zusammenhang zwischen Anilinfarbstoffen und Blasenkrebs gut belegt, wissenschaftlich anerkannt und hat zu entsprechenden Vorschriften im Arbeitsschutz geführt. Industriechemikalien scheinen nicht der entscheidende Auslöser für die »Krebsepidemie« des 20. Jahrhunderts zu sein. Trotzdem scheint sich diese These inzwischen im kollektiven Bewusstsein festgesetzt zu haben.
    Wie wir noch sehen werden, ist die Realität komplizierter. In der Praxis ist es ungemein schwierig, belastbare Hinweise zu finden, dass Industriechemikalien das Krebsrisiko erhöhen. Eindeutig nachgewiesen ist das Gefährdungspotential bei Substanzen wie Asbest, Vinylchlorid, Nitrosaminen oder Benzol. Daher dürften diese Stoffe nicht mehr produziert werden oder sind entsprechend strengen Grenzwerten unterworfen.
    Paradoxerweise beruht aber gerade
das stärkste Argument für die Vergiftungs-Hypothese nicht auf einem finsteren Erzeugnis der modernen chemischen Industrie. Es ist vollkommen unnötig und überflüssig, sich in unzählige weitere ermüdende Beweisverfahren gegen hunderte Industriechemikalien, die gefährlich sein könnten, zu verstricken. Der überzeugendste Beweis für die »Gift-Hypothese« und zumindest eine Teilerklärung für die geheimnisvolle Krebsepidemie im 20. Jahrhundert kommt aus einer ganz anderen Richtung. Bei diesem Hauptverdächtigen handelt es sich um ein Jahrhunderte altes und rein pflanzliches Genussmittel, das wir uns aktiv, bewusst und zumindest anfangs auch freiwillig zuführen – auch wenn mir scheint, dass die meisten Erstkonsumenten zumindest Opfer

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