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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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possible copying mechanism for the genetic material.« 9
    Watson und Crick waren mit der Aufklärung der Struktur dem Problem, wie die Erbinformation von Zelle zu Zelle und von Generation zu Generation weitergegeben wird, schon fast auf die Schliche gekommen. Im Kern jeder Zelle steckt, codiert in der Sequenz der DNA, der komplette Bauplan des gesamten Organismus. Bevor eine Zelle sich teilt, muss dieser Text einmal vollständig verdoppelt werden. Die Nachkommen einer Zelle sind verloren, wenn wesentliche Teile der genetischen Information fehlen.
    Abbildung 4: Struktur der DNA, bestehend aus Bausteinen von Nukleotiden (z. B. Guanosin), angeordnet in zwei antiparallelen, spiralig gewundenen Ketten, der Doppelhelix.
    Die paarige Anordnung der DNA lieferte die Steilvorlage. Der genetische Text existiert offenbar von Vornherein in zwei Varianten, dem Originalstrang und dem antiparallel angeordneten Komplementärstrang. Diese Konstruktion bietet zwei Vorteile. Erstens macht die Existenz einer Backup-Datei das Gesamtwerk deutlich weniger anfällig für situationsbedingte oder zufällige Veränderungen und Verfälschungen. Zweitens liefern die einzelnen Stränge die ideale Matrix für die Rekonstruktion einer neuen, vollständigen Doppelhelix.
    Die Vermutung von Watson und Crick
sollte sich rasch bestätigen: Schon fünf Jahre später, 1958, wurden die grundlegenden Mechanismen der DNA-Verdopplung von Matthew Meselson (*1930) und Franklin Stahl (*1929) aufgeklärt. Zwei komplementär, einander gegenläufige, spiralig ineinander verdrehten Stränge bilden den Text des Lebens, eine Bauanleitung inklusive Sicherheitskopie. Vor einer Zellteilung wird der ganze Text abgelesen undverdoppelt. Diesen Vorgang nennen die Molekulargenetiker DNA-Replikation. Wir müssen diesen komplexen biochemischen Prozess nicht im Detail verstehen. Wichtig sind nur seine Grundprinzipien. Bevor eine Zelle sich teilen kann, muss sie eine Synthese-Phase durchlaufen, die sogenannte S-Phase ihres Lebenszyklus als Zelle. In dieser Phase entwinden bestimmte Enzyme die Spirale und trennen die beiden Stränge voreinander. Je ein Einzelstrang bildet jetzt die Matrize für die Synthese eines neuen vollständigen Doppelstrangs. Mit Hilfe eine weiteren Klasse von Enzymen, den DNA-Polymerasen, bindet jetzt Base für Base an ihre Matrix, bis zwei vollständige, neue Doppelstränge komplett sind.
    Jede Tochterzelle enthält also einen der alten Einzelstränge und einen neuen, der an dieser Matrix synthetisiert wurde. Dieser elegante Vorgang wird ein wenig durch die Tatsache verkompliziert, dass das Entwinden nur dann reibungslos vonstattengeht, wenn die DNA in bestimmten Abständen zerschnitten und dann von sogenannten Ligasen wieder zusammengefügt wird. Dieses Detail ist wichtig, weil dabei Fehler passieren, Stücke verloren gehen oder falsch zusammengefügt werden können. Aber davon später mehr.
    Das Geheimnis der Entstehung neuen Lebens
beruht also auf einem genetischen Bauplan, der die vollständige Information zur Konstruktion eines Organismus enthält, und auf einem raffinierten Mechanismus, um die Baupläne zu vervielfältigen und weiterzugeben. Alle Teile einer Zelle, ihre Zellorganellen, ihr Bestand an Eiweißen und anderen Molekülen, werden ›halbiert‹ und hälftig an die Tochterzellen weitergereicht. Allein die genetische Information wird schon vor der Zellteilung verdoppelt, so dass sie an alle Folgegenerationen immer vollständig tradiert wird. Dadurch nutzt sich der Text auch nach vielen Zellteilungen nicht ab. Die anderen Elemente der Zelle sind sekundär, weil sie in den Tochterzellen dank der vollständig vorhandenen Bauanleitung nach jeder Zellteilung neu aufgefüllt werden können. Die Frage, aus welchem Material Gene bestehen und durch welchen Mechanismus genetische Informationen weitergegeben werden, und zwar von Zelle zu Zelle und von Generation zu Generation, ist damit in groben Zügen geklärt.
    Wie entsteht aber aus der abstrakten Abfolge der vier Buchstaben des genetischen Texts ein braunes Auge, eine gelbe Erbse oder ein dichtes Fell? Wie wird aus dem Genotyp ein Phänotyp? Wie wirken Gene, und wie beeinflussen sie das Leben und Verhalten einer Zelle?
    Schon acht Jahre nach dem Paukenschlag von Watson und Crick
knacktenRobert W. Holley (1922–1993), Har Gobind Khorana (1922–2011) und Marshall W. Nirenberg (1927–2010) den genetischen Code, wofür sie 1968 den Nobelpreis erhielten – zu Recht: Denn der genetische Code erklärt,

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