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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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Manche erfüllen ihre Aufgaben effizienter als andere. Diese Varianten bestimmen den genetischen Anteil an unserer Individualität als Person. Auch jenseits aller pathologischen Varianten sind Menschen mit unterschiedlich effizienten Systemen zur Reparatur von DNA-Schäden ausgestattet.
    Damit wird die Antwort auf die Frage, wie viel unabwendbares Schicksal in einer Krebserkrankung steckt, noch ein Stückchen komplizierter. Wir modifizieren die Zufallskomponente nicht nur durch Risiko- oder Vermeidungsverhalten, 50 sondern auch durch unsere Gene. Ein Teil unseres individuellen Krebsrisikos ist tatsächlich vererbt.
    In seltensten Fällen handelt es sich dabei um echte Erbkrankheiten, die – wie beim erblichen Brustkrebs – auf einer Keimbahnmutation verbunden dem Verlust einzelner Gene wie dem BRCA1-Gen beruhen. Im Übrigen gibt es selbst in solchen Extremfällen noch einen kleinen Unterschied zu vielen anderen typischen Erbkrankheiten. Auch bei den erblichen Krebssyndromen wird nicht die Krankheit selbst, sondern lediglich eine extrem hohe Disposition zur Erkrankung vererbt. Mindestens 20 Prozent der Trägerinnen von BRCA-1-Mutationen entwickeln eben keinen Brustkrebs!
    Jenseits dieser Erbkrankheiten im klassischen Sinn 51 haben viele Merkmale, Fähigkeiten und natürlich auch Krankheiten der Menschen einen mehr oder weniger großen genetischen Anteil. Meistens gehorcht dieser Anteil eines Merkmals aber nicht den Mendelschen Erbgängen, sondern er ist das Resultat des Zusammenspiels vieler Gene mit den modifizierenden Einflüssen der Umwelt. Das gilt auch für unsere Fähigkeit, DNA-Schäden wieder zu reparieren.
    Genau wie die Mutationen,
die eine zwangsläufige Folge des chemischen Milieus in der Zelle sind, entzieht sich die genetische Ausstattung unserem Zugriff. Trotzdem sind wir dem Schicksal nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Im Gegenteil: Der Löwenanteil des Krebsrisikos beruht bei der Mehrzahl der häufigen Krebskrankheiten auf äußeren Einflüssen. 52 Die wichtigste Gegenmaßnahme ist (relativ) einfach: Hände weg vom Rauchen!
    Vielleicht wird es in Zukunft möglich sein, das Ausmaß unserer individuellen genetischen Bürde experimentell zu quantifizieren. Ich weiß nicht, wie erstrebenswert eine solche Information wäre. Sie mag in Extremfällen wie den familiären Krebssyndromen sinnvoll sein – allerdings nur unter der Voraussetzung,dass Präventionsmaßnahmen zur Verfügung stehen oder entsprechende Früherkennungsprogramme die Heilungschancen der Betroffenen tatsächlich verbessern.
    Das Wissen um die eigenen genetischen Risiken kann das Lebensgefühl einer Existenz unter dem Damoklesschwert vermitteln. Der Preis des Wissens ist der Verlust der Unbefangenheit. Es ist wie bei Pandoras berühmter Büchse. Einmal losgelassen kann man die schlechte Nachricht nie wieder einfangen. Wie gesagt: Wissen kann auch ein Fluch sein!

Die Grenzen des Wachstums: Erstens, die Notbremse
    Die Bremskabel sind gerissen. Gleichzeitig wird das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt. Eine Zelle ist endgültig auf die schiefe Bahn geraten. Sie teilt sich unausgesetzt, und der manifeste Krebs scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Selbst an diesem Punkt der Entwicklung verfügen die meisten Zellen noch über eine weitere Notbremse.
    Am Ende der
DNA
-Fäden jedes Chromosoms
befinden sich Abschnitte, die nicht in die Sprache der Eiweiße übersetzt werden. Diese Regionen enthalten also keine genetische Information im strengen Sinn. Es handelt sich dabei um stetige Wiederholungen der »Buchstabenkombination« TTAGGG. Diese Kombination ist im Wörterbuch DNA → Protein 53 nicht zu finden.
    Bei einer Zellteilung geschieht mit diesen Enden etwas Merkwürdiges: Aufgrund bestimmter Eigenarten der Vervielfältigungsenzyme der DNA geht jedes Mal ein Stückchen am Ende der Kette verloren, und diese Enden, Telomere genannt, werden immer kürzer. Nach etwa fünfzig Zellteilungen, dem sogenannten Hayflick-Limit, sind die Telomere aufgebraucht. Die Zelle verfällt dann in eine Art Altersruhestand. In diesem Zustand der Seneszenz lebt eine Zelle zwar noch weiter und kann auch noch bestimmte Funktionen erfüllen, aber sie wurde quasi kastriert. Sie hat die Fähigkeit zu weiteren Teilungen verloren.
    Leider hat auch dieser letzte Schutzwall gegen den Krebs ein oder sogar zwei Schlupflöcher. Stammzellen müssen lebenslang Zellen nachliefern können, um den Organismus 80 Jahre und länger am Leben und Laufen zu halten.

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