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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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Für diese Zelltypen kann das Hayflick-Limit also nicht gelten. In der Tat besitzen sie einen Komplex von Enzymen, die Telomerase, die die verkürzenEnden wieder auffüllen und sie zu einer Art Schleife verknüpfen. In den meisten Zelltypen ist die Telomerase stillgelegt. Unglücklicherweise gibt es Genmutationen, die dieses Siegel brechen und die Telomerase wieder reaktivieren können.

Die Grenzen des Wachstums: Zweitens, der Nachschub
    Ich mag Metaphern aus dem Wörterbuch des Kriegshandwerks eigentlich nicht besonders, schon gar nicht im Zusammenhang mit Krebserkrankungen. Ein Bild ist allerdings so zutreffend, dass ich es uns nicht ersparen kann: Es ist das Bild von den Nachschublinien. Auch die gefürchtetsten Armeen werden zu zahnlosen Tigern, wenn sie zu weit von ihrer Basis entfernt agieren müssen und der Nachschub ausbleibt. Auch Zellen sind Lebewesen, die mit Nahrung, Energie und Baustoffen versorgt werden müssen. Das gilt ganz besonders für die sich rasch teilenden Zellen bösartiger Tumore. Schnelles Wachstum verbraucht Baumaterial und Energie, zumal Tumorzellen ausgesprochen verschwenderisch mit Brennstoffen wie Traubenzucker umgehen.
    Die wichtigsten Versorgungslinien des Körpers sind die Blutgefäße.
Arterien transportieren Sauerstoff und nährstoffreiches Blut zu den Zellen, und die Venen nehmen die Abfallprodukte des Stoffwechsels wieder mit und transportieren sie zur Leber und zu den Nieren. Dort wird der Abfall weiterverwertet oder entsorgt und mit Stuhl oder Urin ausgeschieden.
    Die Blutgefäße entstehen größtenteils bereits vor der Geburt. Danach sind echte Neubildungen von Gefäßen auf Ausnahmesituationen wie die Heilung von Wunden, das pubertäre Wachstum der weiblichen Brust, die Plazentabildung oder die Reifung des Gelbkörpers beschränkt. Ansonsten führen die Zellen der Gefäße, die Endothelzellen, ein beschauliches Leben. Nur eine unter 10

000 Zellen verlässt jeweils ihre Ruhephase – die G0-Phase des Zellzyklus – und setzt sich in Richtung Zellteilung in Bewegung.
    Leider sind Krebszellen in der Lage, die Ruhe der Endothelzellen zu stören. Schon vor fast 2000 Jahren fiel dem berühmten römischen Arzt Galen auf, dass Blutgefäße den Tumor kranzförmig umgeben, wie die Beine und Scheren bei einem Krebs.
    Wenn eine Zelle ausreichend kritische Mutationen erworben hat, um alle zellulären Kontrollmechanismen zu überwinden, überschreitet sie den Rubikon.Dabei handelt es sich fast immer um einen Punkt ohne Wiederkehr. 54 Findet der Körper keine Möglichkeit, sich dieser Zellen zu entledigen, ist der Weg zur Krebserkrankung vorgezeichnet. Gerade weil die Krebszellen rasch expandieren, stößt die Population aber auf ein Hindernis, wenn sie auf eine Zahl von etwa einer Million Zellen angewachsen ist. Ein solches Knötchen hat etwas die Größe eines Kubikmillimeters. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Tumor ein recht homogenes Gebilde. Er verfügt im Gegensatz zu anderen Geweben kaum über Binde- oder Stützgewebe. Vor allem aber hat er keine eigenen Blutgefäße.
    Jede Zelle braucht zum Überleben Nährstoffe und Sauerstoff.
Normalerweise diffundiert der Sauerstoff aus den Kapillargefäßen ins Gewebe und dringt passiv durch die Zellmembran in die Zelle ein. Auf diese Weise erreicht der Sauerstoff Zellen, wenn sie nicht weiter als ein zehntel Millimeter von einer Kapillare entfernt liegen. Diese Entfernung entspricht etwa einer Lage von zehn Zellen. Jenseits dieser Distanz gehen Zellen relativ rasch durch Sauerstoffmangel (Hypoxie) zugrunde. Ohne eigenes Gefäßsystem könnte also auch der bösartigste Tumor die magische Größe von einem Kubikmillimeter nicht überschreiten. Leider haben bösartige Tumoren offensichtlich auch für dieses Problem eine Lösung gefunden. Seit einigen Jahrzehnten versuchen wir ihnen dabei in die Karten zu schauen, immer in der Hoffnung, eine Achillesferse zu finden.
    Im Jahr 1939 transplantierte Gordon Ide kleine Tumorstückchen auf die reich mit Blutgefäßen versorgte Ohrmuschel von Kaninchen. Er konnte beobachten, wie der Tumor das Wachstum kleiner Blutgefäße geradezu magisch anzuziehen schien. Seiner Meinung nach bildeten die Krebszellen Substanzen, die die Neubildung von Gefäßen anregen.
    Sechs Jahre später folgerte Glenn Alguire aus detaillierteren Studien zur Gefäßneubildung in transplantierten Tumoren, dass die Größenzunahme eines Tumors im Wesentlichen von seiner Fähigkeit abhängt, sich sein eigenes Gefäßnetzwerk zu

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