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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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end joining genannt. Das end joining ist allerdings eine ziemlich fehlerträchtige Form der Reparatur und daher nur ein Art Notlösung.
    Treten solche Schäden nach der S-Phase auf, hat die Zelle eine Alternative. Im Verlauf der S-Phase verdoppelt die Zelle ihre DNA, und es entstehen zwei Schwesterchromatiden. Diese sind während der Mitose als doppelter Chromosomensatz von zwei mal 23 Chromosomen erkennbar. Die Schwesterchromatiden sind exakt identisch und enthalten jeweils eine vollständige Doppelhelix. Man nennt Zellen in diesem Stadium auch diploid. Ab dieser Phase ihres Lebens verfügen sie über eine doppelte Sicherheitskopie ihres genetischen Textes. Sie können diesen zweiten, vollkommen identischen Doppelstrang mit Hilfe eines sehr eleganten Mechanismus nutzen, um einen Doppelstrangbruch auch ohne die Hilfe der Sequenz des komplementären Strangs der betroffenen Doppelhelix wieder zu rekonstruieren. Dabei wird die entsprechende Sequenz aus dem sogenannten Schwesterchromatid als Vorlage für die Reparatur herangezogen. Dieser Reparaturvorgang wird homologe Rekombination genannt.
    Die Gene der
DNA
-Reparaturenzyme sind,
wie gesagt, im Grunde eine besondere Klasse von Tumorsuppressor-Genen. Sie versuchen, das Übel an der Wurzel zu packen. Sie sollen dafür sorgen, dass das System der Zell-Homöostase gar nicht erst durch Mutationen aus dem Gleichgewicht geworfen wird. Sie werden daher Aufpasser- oder im Fachjargon »Caretaker-Gene« genannt. Aber die Caretaker-Gene selbst sind natürlich nicht unverwundbar. Sie sind denselben chemischen Regeln unterworfen wie alle anderen Gene auch. Ähnlich wie ein Wolfsrudel, das zuerst die Hütehunde ausschaltet, kann eine inaktivierende Mutation eines DNA-Reparaturgens große Verwüstungen in der Herde der Gene anrichten. Besonders fatale Folgen kann es haben,wenn eine defekte Variante eines solchen Caretaker-Gens bereits ererbt wurde.
    Genau das ist der Fall bei einer seltenen erblichen Variante des Brustkrebs. Die Gene, um die es sich dabei handelt, heißen BRCA1 und BRCA2 (BRCA steht dabei für br east ca ncer ). Beide Gene liefern Baupläne für wichtige Elemente der Reparatur von Doppelstrangbrüchen. Ähnlich wie bei der vererbten Form des Retinoblastoms ist bei der vererbten Form des Brustkrebses eines der beiden Allele schon in der Keimbahn inaktiviert, so dass alle Zellen des Körpers nur noch ein intaktes Allel ohne Sicherheitskopie besitzen. Die Gefahr ist daher groß, dass in irgendeiner dieser vielen Milliarden Zellen das zweite Allel auch noch ausfällt. Zellen, in denen beide Allele ausgefallen sind, weisen eine deutlich erhöhte Rate von Mutationen auf. Über diesen Zellen und allen ihren Nachkommen schwebt das Damoklesschwert der Verwandlung zur bösartigen Krebszelle.
    Etwa 10 Prozent aller Brustkrebserkrankungen
sind die Folge genetischer Mutationen, die nicht erst in den Zellen der Brustdrüsen entstehen, sondern bereits über die Keimbahn mitgegeben wurden. Knapp die Hälfte davon geht auf das Konto des BRCA-1- oder des BRCA-2-Gens. Bis zu 80 Prozent der Frauen, die diese genetische Bürde vererbt bekommen haben, erkranken im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Ihr Krebsrisiko ist nicht nur überdurchschnittlich hoch. Sie erkranken im Durchschnitt auch bereits in deutlich jüngerem Alter, 48 und sie entwickeln oft besonders aggressiv verlaufende Varianten von Brustkrebs. Betroffene Frauen werden die Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an ihre Töchter weitergegeben.
    Viele erbliche Krebssyndrome beruhen auf Defekten in DNA-Reparaturgenen, nicht nur die familiäre Form von Brust- oder Eierstockkrebs. Sie stecken zum Beispiel auch hinter einer zweiten erblichen Form von Darmkrebs, dem sogenannten hereditären nicht-polypösen Colon-Carcinom (HNPCC). 49 Bei dieser Erkrankung sind allerdings nicht Gene der Doppelstrangbruch-Reparatur, sondern des Mismatch-Reparatursystems betroffen.
    Mutationen in DNA-Reparatursystemen werden nicht nur bei erblichen Krebssyndromen, sondern auch in vielen spontan aufgetretenen Tumoren gefunden. Sie scheinen also ein essentieller Karriereschritt sehr vieler Krebszellen zu sein und erklären vielleicht die hohe Zahl von oft 50 bis 80 Mutationen, die in Zellen fortgeschrittener Krebserkrankungen gefunden werden.
    Gene sind nicht entweder intakt oder defekt.
Auch von den meisten gesunden,nicht mutierten Genen existieren mehrere Varianten, Polymorphismen genannt. Nicht immer sind alle Varianten gleichwertig.

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