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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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VEGF oder ähnlichen Substanzen Blutgefäßzellen in den Tumor locken, reagieren diese nicht nur durch Vermehrung und Gefäßneubildung, sondern sie produzieren auch Eiweiß-spaltende Enzyme, sogenannte Matrix-Proteasen. Diese Protein-spaltenden Enzyme schneiden Zellen aus ihren Verankerungen und lösen den festgefügten Gewebsverbund auf. Dadurch können sowohl die neu gebildeten Gefäße in den Tumor einsprossen als auch die Krebszellen aus dem Tumor auf Wanderschaft gehen.
    In den Tumoren entsteht eine permanente Baustelle oder wie es der Harvard-Pathologe Harold Dvorak ausdrückte, eine »Wunde, die nie heilt«. 57 Parallel zur Gefäßneubildung verändert sich der Tumor auch in anderer Weise. Wenn er die Fesseln seiner angestammten Heimat hinter sich lässt, ist er gezwungen, sich ein neues Milieu ganz nach seinen Bedürfnissen zu schaffen. Vermutlich sind diese Vorgänge ungefähr vergleichbar mit der Entstehung von Organen während der Entwicklung eines Embryos. Ein wachsender Tumor besteht nicht nur aus den Hauptpersonen, den Tumorzellen. Je mehr derTumor wächst, desto mehr andere Zelltypen werden für Nebenrollen rekrutiert. Ein Tumor gleicht mehr und mehr einem eigenständigen Organ. Auch Organe wie die Leber bestehen nicht nur aus Leberzellen, sondern auch aus den Zellen der Blut- und Lymphgefäße und vor allem aus den Zellen des Stütz- und Bindegewebes. Die wichtigsten Zellen des Bindegewebes sind die Fibroblasten und die Fibrozyten. Sie produzieren Eiweiße wie die Kollagene, die Zellen gerüstartig wie ein weitverzweigtes Gitternetz umgeben und dem Gewebe seine Festigkeit verleihen.
    Tumoren lösen die althergebrachte Gewebestruktur des Wirtsorgans auf
und ersetzen sie durch etwas Neues. Sie rekrutieren dabei Hilfspersonal wie die Fibroblasten und bauen sich so nach und nach ihre eigene Matrix auf. In manchen Tumoren macht dieses Stützgewebe, das Stroma des Tumors, fast 90 Prozent der gesamten Tumormasse aus.
    Das Stützgewebe hat keineswegs nur passive Funktionen. Es kann die weitere Entwicklung des Tumors aktiv vorantreiben. Wie das im Einzelnen vonstatten geht, ist nicht vollständig geklärt. Im Tumor scheint ein ähnliches Milieu zu herrschen wie in einer Wunde oder einer chronischen Entzündung. Der ständige Gewebeumbau exponiert Eiweiße, die in normalen Geweben verborgen sind. Solche Kontakte aktivieren verschiedene Zelltypen zur Reaktion. Tumorzellen und Stromazellen schütten Botenstoffe aus, die den Prozess weiter unterhalten.
    Sehr lange ließen die meisten Onkologen das Bindegewebe in den Tumoren links liegen. Es schien ihnen langweiliges Beiwerk. Vor etwas mehr als zehn Jahren führte eine Gruppe von Wissenschaftlern aber ein Experiment durch, das die verschmähten Zellen plötzlich in völlig neuem Licht erscheinen ließ. Die Wissenschaftler transplantierten prämaligne Zellen der menschlichen Prostata auf den Hinterlauf von Ratten. Diese Ratten hatten einen angeborenen Immundefekt und konnten daher menschliche Zellen nicht wie üblich wieder abstoßen. Prämaligne Zellen sind Zellen, die an der Schwelle zwischen normaler Zelle und Krebszelle stehen. Sie weisen bereits Eigenschaften von Tumorzellen auf, entwickeln sich aber nicht zwangsläufig ohne zusätzliche weitere Mutationen oder andere Faktoren zu einem bösartigen Tumor.
    Diese Zellen wurden zusammen mit zweierlei Typen von ebenfalls menschlichen Fibroblasten in die Tiere eingepflanzt. Eine erste Gruppe von Ratten bekam Fibroblasten injiziert, die aus dem Stroma eines Tumors stammten (sogenannte cancer associated fibroblasts – CAF ). Eine zweite Gruppe bekamdagegen normale menschliche Fibroblasten eingespritzt, die nie zuvor mit Tumorzellen in Kontakt gekommen waren. Tatsächlich wuchs aus der Kombination von prämalignen Prostatazellen und den Tumor-assoziierten Fibroblasten ein bösartiger Tumor heran. Das Zellgemisch aus prämalignen Prostatazellen und normalen Fibroblasten konnte sich dagegen in den Ratten nicht zu einem echten Krebs weiterentwickeln. 58
    Dieses und viele andere Experimente unterstreichen die Bedeutung des umgebenden Gewebes für die Karriere bösartiger Tumoren. Die Befunde könnten vielleicht auch erklären, warum es bei bestimmten Krankheiten mit chronischer Entzündungsreaktion wie bei chronischen virusbedingten Leberentzündungen (Hepatitis B oder Hepatitis C), bei chronischen Entzündungen der Speiseröhre, bei chronischer Entzündung der Magenschleimhaut durch das Bakterium Helicobacter pylori

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